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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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an jenem Tag gekämpft! Hatte sie zu Stücken zerhauen, während sie benommen herumtaumelten! Ganze sechs Jahre war er damals alt, oder? Ja, so ungefähr. Aber schon doppelt so groß wie irgendein Gleichaltriger. Und er führte sein eigenes Schwert – und nicht etwa einen Spielzeugsäbel! Die prachtvollste Stunde seines Lebens: er – der kindliche Held, der Schwertknabe, voll Wut und Zorneseifer hackend und alles niedermähend… Es war das eine, das einzige Mal in seinem Leben, daß er die wahre Lust des Schlachtens gekostet hatte. Er sehnte sich danach, diesen berauschenden Wein erneut auf seinen Lippen zu schmecken.
    Bei ihrem zweiten gemeinsamen Ausritt wurde der König sogar noch kühner, denn diesmal strebte er dem bewaldeten Hochland im Nordosten der Stadt zu. Also genau jener Region, vor der er Thu-Kimnibol gewarnt hatte. Und er ritt unbeirrt stundenlang weiter, ohne umzukehren. Und während der Tag verstrich und sie immer weiter und weiter ritten, schien es Thu-Kimnibol allmählich denkbar, daß Salaman vorhaben könnte, die ganze Strecke bis nach Vengiboneeza zu reiten. Oder eine ähnliche Wahnsinnsaktion. Das war natürlich unmöglich, eine solche Fahrt würde Wochen dauern, und an ihrem Ende lauerte der sichere Tod. Aber angeblich wimmelte es selbst so nahe der Stadt im Nordosten nur so von Hjjks. Wenn es also auf dieser Strecke so gefährlich war, wieso hatte der König sie diesmal gewählt?
    Sie ritten schweigend bis spät in den Nachmittag einen hohen Kamm entlang, der sich dahinzog, soweit das Auge reichte. Die Gegend wurde immer wilder. Einmal verfinsterte ein Zug von Blutvögeln kurz den Himmel dicht über ihnen. Auf einem sonnenheißen Kogel bewegte sich gemächlich ein Trupp der großen bleichen Grünklauen genannten Insekten (feiste vielgliedrige Brocken, halb so lang wie ein Mann) umher. Später kamen sie an einer Stelle vorbei, an der der Grund in Bewegung war, als ob ein großer Bohrer sich unterirdisch vorwärtsarbeite, und als Thu-Kimnibol hinabsah, blickten ihm riesige scharlachrote Telleraugen aus dem weichen Erdhub entgegen, und mächtige gelbe Zähne rieben sich knirschend gegeneinander.
    Schließlich hielten sie an einer offenen grasbewachsenen Stelle an einer Kammspitze. Der Himmel färbte sich schon dunkel und sah nun aus wie starker Wein. Thu-Kimnibol starrte in die sich sammelnden Schatten im Osten. Dort draußen lag irgendwo Vengiboneeza, aber natürlich weit, weit jenseits seines Blicks. Er erinnerte sich nur noch an einen Haufen von Trümmern und Schutt, an das Bild eines Turmes, das Kopfsteinpflaster eines weiten Boulevards, den erhabenen Schwung eines weiten Platzes. Diese leuchtende uralte Stadt – voller Gespenster. Und die Millionen Hjjks, wild Schwärmend in ihrem Stock. Wie gräßlich der Ort nach ihnen stinken mußte!
    Nach einiger Zeit glaubte Thu-Kimnibol, daß er Gestalten erkennen könne, die sich in sehr weiter Ferne, fremdartig und kantig, in dem Flachcanyon unterhalb des Kammes bewegten.
    »Hjjks«, sagte er. »Siehst du sie?«
    Auf diese Entfernung wirkten sie sehr klein, kaum größer als gelbe Punkte mit schwarzen Streifen.
    Salaman kniff die Lider zusammen und schaute angestrengt. »Wahrhaftig, bei Yissou! Einer, zwei, drei, vier…«
    »Und ein fünfter, flach auf dem Boden. Mit dem Bauch nach oben.«
    »Deine Augen sind jünger als meine. Aber ja, jetzt kann ich sie auch unterscheiden. Siehst du jetzt, wie nahe an Yissou sie sich heranwagen? Immer näher und näher kommen sie frech heran.« Er spähte noch angestrengter. »Die beiden Dicken sind Weibchen. Kämpfer-Hjjks, das sind sie. Bei denen sind die Weiber die Stärkeren. Ich nehme an, sie geleiten die übrigen drei irgendwohin. Ein Spähtrupp. Der Hjjk auf dem Boden ist schwerverletzt, wie es aussieht. Oder tot. Wie immer, sie werden in Kürze einen Festschmaus haben.«
    »Einen – Festschmaus?«
    »Ja. Von dem Toten. Sie lassen nichts verkommen, diese Hjjks. Hast du das nicht gewußt? Nicht mal ihre eigenen Toten.«
    Über diese monströse Vorstellung mußte Thu-Kimnibol lachen. Doch dann überlegte er die Idee noch ein wenig, und ihn überlief ein Schauder. War es möglich, daß Salaman im Ernst sprach? Ja, doch, anscheinend meinte er es ganz ernst. Und das Quartett der fernen Hjjks schien inzwischen auch über dem Leib des Liegenden zu kauern und ihn säuberlich zu zerstückeln, die Gliedmaßen abzutrennen, sie zu zerspalten, um an das Fleisch darinnen zu gelangen. Er sah sich dies voll Entsetzen

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