Der neue Frühling
Hoffnungsbereitschaft, bereitwillige Erwartung. Dann verschwindet das Gefühlsgemisch wieder, und das Gesicht des Königs drückt erneut nur steinernen, grob abweisenden Argwohn aus.
»Darüber wird man noch ausführlicher sprechen müssen«, sagte er. »Nicht hier und nicht jetzt. Auf! Oder wir reiten in finsterster Nacht zurück.«
Und die Dunkelheit hatte sie auch wirklich erreicht und umfangen, als sie endlich die Stadt wieder erreichten. Auf der Mauerkrone loderten Fackeln, und als Chham, Salamans Sohn, zu ihrem Empfang aus dem Östlichen Tor geritten kam, war der besorgte Ausdruck auf seinem Gesicht unmißverständlich.
Der König tat das alles mit einem Lachen ab. »Ich hab unseren Gevatter auf einen Ritt ein Stückchen weit in Richtung Vengiboneeza geführt, damit er das Lüftchen schnuppern kann, das aus dieser Richtung weht. Aber wir waren natürlich keinen Moment in Gefahr.«
»Dem Beschützer sei Dank!« rief Chham.
Dann wandte er sich an Thu-Kimnibol: »Es ist ein Bote gekommen, mein Herr und Prinz, aus deiner Stadt. Er sagt, er ist Tag und Nacht geritten, und es muß wohl so sein, denn das Xlendi, das er ritt, war dermaßen überarbeitet, daß es eher tot als lebendig aussah.«
Thu-Kimnibol runzelte die Stirn. »Wo ist er jetzt?«
Chham wies zum Tor. »Er wartet auf dich in deinen Gemächern, mein Herr Prinz.«
Der Bote war ein Beng, einer der Wachsoldaten der Justizbehörde, und ein jüngerer Bruder des Hauptmanns der Stadtwache, Curabayn Bangkea. Thu-Kimnibol erinnerte sich, daß er den jungen Mann hin und wieder in der Basilika Dienst tun gesehen hatte. Sein Name lautete Eluthayn, und er sah wahrhaftig erschöpft und abgerissen genug aus, ein schmaler Schatten seiner selbst und vor Erschöpfung dem Zusammenbruch nahe. Er konnte gerade noch seine Botschaft stammeln. Und diese war bestürzend genug.
Salaman gesellte sich bald darauf zu Thu-Kimnibol.
»Du siehst bekümmert aus, Cousin. Es muß eine üble Nachricht gewesen sein.«
»Es sieht so aus, als wäre in meiner Stadt eine Mordepidemie ausgebrochen.«
»Mord?«
»Noch dazu bei unserem Heiligsten Fest. Zwei Morde. Der eine Tote ist der Hauptmann unserer Stadtwache, der ältere Bruder meines Boten. Der andere Tote ist dieser junge Mann, den die Hjjks mit ihrem Vertragsangebot zu uns geschickt hatten.«
»Der Botschafter der Hjjks? Wer würde den töten wollen? Und wozu?«
»Wenn man das wüßte!« Thu-Kimnibol schüttelte den Kopf. »Der Junge war ganz harmlos, also, jedenfalls kam er mir so vor. Der andere Kerl – nun ja, er war ein Idiot, aber wenn es schon genügt, daß jemand ein Idiot ist, um ermordet zu werden, dann müßten unsere Straßen ja von Blut schwimmen. Das Ganze ergibt überhaupt keinen Sinn.« Er verzog finster die Stirn, trat ans Fenster und starrte eine Weile in den düsteren Hof hinab. Dann wandte er sich wieder Salaman zu. »Es könnte sich erweisen, daß wir unsere Verhandlungen abbrechen müssen.«
»Du bist zurückbeordert worden, ja?«
»Der Kurier hat davon nichts gesagt. Doch wenn zu Hause derartige Dinge passieren…«
»Was für Dinge? Zwei Mordfälle?« Salaman lachte leise in sich hinein. »Und sowas nennst du eine Mordepidemie?«
»Bei euch hier mag es ja fünf Morde jeden Tag geben, mein Cousin. Aber wir sind an sowas nicht gewöhnt.«
»Wir auch nicht. Aber zwei Fälle scheinen doch wohl kaum…«
»Der Chef der Garde. Der Gesandte. Und ein Eilbote kommt die ganze weite Strecke hierher, um mich zu informieren. Warum? Nimmt Taniana an, die Hjjks werden Vergeltung üben? Vielleicht – vielleicht rechnen sie daheim mit Ärger, etwa gar mit einem Überfall der Hjjks auf Dawinno…«
»Wir hier haben ihren Gesandten getötet, Gevatter, aber wir haben nie was darüber gehört. Ihr Südländer seid eben zu leicht erregbar, da liegt das Problem.« Salaman streckte Thu-Kimnibol die Hand entgegen. »Wenn du nicht offiziell abberufen bist, dann bleib genau hier, wo du jetzt bist, das wäre mein Rat. Taniane und ihr Präsidium können ohne dich mit dieser Mordsache fertigwerden. Und wir haben hier Arbeit genug, und wir haben kaum damit begonnen. Bleib in Yissou, mein Cousin. Das ist meine Überzeugung.«
Thu-Kimnibol nickte. »Du hast recht. Was in Dawinno passierte, betrifft meine Aufgabe nicht. Ja, wir haben viel zu tun.«
Hresh ist allein in seinen Privaträumen oben im Haus des Wissens; es ist noch früh am Abend, und er versucht, mit den ganzen jüngsten Ereignissen ins reine zu kommen. Seit
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