Der neue Frühling
fort war von den alten vertrauten Umständen und Verbindungen. Hier hatte er ja im Grunde noch weitaus ältere Verbindungen. Auf eine geradezu merkwürdige Weise genoß Thu-Kimnibol es geradezu, daß er nun nach so langer Zeit wieder in der Stadt zurück war, in der er die entscheidenden, prägenden Jahre seines Lebens verbracht hatte, von seinem dritten bis zum neunzehnten Jahr. Seine Geburtsstadt, Vengiboneeza, kam ihm wie ein Ort aus einem Traum vor, undeutlich, verschwommen, nichts weiter. Und Dawinno, so grandios es sein mochte, war ihm nun auf einmal fern und wesenlos. Sein ganzes dortiges Leben, das Prinzenpalais und seine Gefährtin und die Freunde und die Lustbarkeiten waren immer blasser geworden, bis sie ihm kaum jemals wieder in den Kopf kamen. Hier dagegen, im dunklen Schatten der Titanenmauer Salamans, dieses grotesken Gebildes, und in dem dumpfen, engen und Klaustrophobie ausbrütenden Verhau von Stadt begann er sich allmählich irgendwie heimisch zu fühlen. Das kam für ihn ganz überraschend, und er verstand es auch nicht. Er bemühte sich nicht einmal darum, es zu verstehen. Und was seine Mission betraf, den Zweck seiner Entsendung, je weniger man sich dabei übereilte, desto besser. Ein Bündnis, wie es ihm vorschwebte, das schmiedete man besser nicht überstürzt.
Oft ritt er aus, ins Umland jenseits der Mauer. Gewöhnlich mit Esperasagiot und Dumanka und Simthala Honginda, gelegentlich aber auch mit dem einen und anderen älteren Sohn des Königs. Diese Ausflüge waren auf einen Vorschlag Salamans hin erfolgt. »Deine Xlendis brauchen Auslauf«, sagte er. »Die Straßen in der Stadt sind zu eng und zu kurvenreich. Da können die Tiere doch gar nicht richtig mit ihren Beinen ausgreifen.«
»Besteht die Gefahr, daß wir da draußen auf Hjjks stoßen?« fragte Thu-Kimnibol. »Ich hab irgendwie so den Eindruck gewonnen, daß die dort überall herumkreuchen.«
»Solltest du sehr weit nach Nordosten vorstoßen, dann ja. Sonst besteht keine Gefahr von Belästigungen.«
»Richtung Vengiboneeza, willst du sagen?«
»Genau. Da hocken diese dreckigen Wanzlinge. Eine ganze Million Ungeziefer vielleicht. Zehn Millionen, was weiß ich schon. Aber es brodelt in Vengiboneeza nur so von denen«, sagte Salaman. »Sie wimmeln dort herum wie Flöhe.« Er warf Thu-Kimnibol einen schlauen Blick zu. »Aber selbst wenn du bei deinen Ausritten mal ab und zu auf ein, zwei Hjjks stoßen solltest, was macht das schon? Du hast doch mal, wenn ich mich recht erinnere, ganz gut gewußt, wie man sie umbringt.«
»Höchstwahrscheinlich weiß ich das auch heute noch«, sagte Thu-Kimnibol ruhig.
Dennoch, vor der Mauer der Stadt bewahrte er Vorsicht. Gewöhnlich ritt er durch das befriedete Ackerland südlich der Stadt, aber ein paarmal stieß er mit Esperasagiot ein Stück weit in den wenig bedrohlich wirkenden Waldbezirk östlich vor, wagte sich jedoch niemals gen Norden. Nicht, daß es ihn besonders beunruhigt hätte, dort vielleicht auf Hjjks zu stoßen (er verwünschte Salaman für seine hinterhältige Unterstellung von Feigheit); es wäre ein feiner Sport gewesen, mal ein paar Hjjks zu tranchieren… Doch er war mit einem Auftrag hergekommen, und sich in einer Schlägerei mit den Wanzen umbringen zu lassen, das wäre mehr als bloße Dummheit gewesen, es wäre verantwortungslos gehandelt.
Dann schlug Salaman einen gemeinsamen Ausritt vor. Und mit Erstaunen bemerkte Thu-Kimnibol, daß der König sich westwärts wandte, über eine Hochebene, die in rauhes, von schmalen Schluchten durchzogenes Gelände überging, wo ihre Xlendis Mühe hatten, sicheren Tritt zu fassen. Ein schwieriges Gelände voller Brüche. Überall konnten Gefahren lauern. Verspürte Salaman vielleicht das Bedürfnis, den Mut seines Gastes auf die Probe zu stellen? Oder seinen eigenen zu beweisen? Thu-Kimnibol ließ sich seine Gereiztheit nicht anmerken. »Hier ist der Ort«, sagte der König schließlich, »an dem wir die Hjjks vernichtend geschlagen haben, an jenem Tag der Großen Schlacht. Erinnerst du dich? Du warst noch so jung damals.«
»Alt genug, mein Cousin.«
Sie hielten und starrten ins Land. Thu-Kimnibol fühlte, wie alte Erinnerungen, so verdeckt sie sein mochten durch die Schleier der Zeit, in ihm heraufstiegen. Zuerst waren die Hjjk-Formationen durch jene Erfindung Hreshs in Verwirrung geraten, die ihre Zinnobären in einer wilden Stampede in diese von Gesteinsbrocken übersäten Rinnen trieb. Und dann die Schlacht selbst. Wie hatte er
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