Der Neue Frühling
verloren. Doch Edeyn war vielleicht hier, und er konnte das Gefühl nicht abschütteln, ein Schlachtfeld zu betreten.
Diener in Rot und Grün mit dem aufgestickten Roten Pferdekopf auf den Schultern liefen herbei, um ihnen die Pferde abzunehmen, und andere Männer und Frauen kamen, um den Inhalt der Weidenkörbe auf dem Lastpferd zu holen und jedem Mann ein Zimmer zuzuweisen, das seinem Rang entsprach. Beunruhigenderweise führte die Shatayan des Palasts sie höchstpersönlich. Sie war eine stattliche Frau in Livree, die ihr grau werdendes Haar im Nacken als dicken Knoten trug. Der silbrige Schlüsselring an ihrem Gürtel verkündete, dass Frau Romera den Befehl über alle Palastdiener hatte, aber eine Shatayan war mehr als eine Dienerin. Für gewöhnlich konnten nur gekrönte Häupter erwarten, am Tor von der Shatayan empfangen zu werden. Er schwamm in einem Meer aus Erwartungen anderer Leute. Männer waren in solchen Meeren ertrunken.
Er ging mit, um sich Bukamas und Rynes Zimmer anzusehen und sein Entzücken darüber Frau Romera gegenüber zum Ausdruck zu bringen, nicht weil er erwartet hatte, dass man ihnen etwas Unpassendes zuweisen würde, sondern weil es erforderlich war, dass er sich vor seinen Bedürfnissen zuerst um seine Männer kümmerte. Ryne schnitt ein mürrisches Gesicht, aber sicherlich hatte er nichts Besseres erwartet als dieses kleine Zimmer in einer der steinernen Palastunterkünfte, genau wie Bukama. Er hatte genau gewusst, wie die Dinge hier sein würden. Immerhin hatte Ryne ein Zimmer für sich, der Raum eines Bannerträgers mit einem Kachelofen in der Ecke. Normale Soldaten teilten sich zu zehnt einen Raum, und soweit sich Lan erinnerte, verbrachten sie im Winter die Hälfte ihrer Zeit damit, sich darüber zu streiten, wer die Betten in der Nähe des Kamins bekam.
Bukama machte es sich fröhlich gemütlich – nun, so fröhlich, wie es ihm möglich war; die Falten auf seiner Stirn verschwanden fast – und plauderte bei einer Pfeife mit ein paar Männern, an deren Seite er gekämpft hatte, und Ryne schien sich schnell einzugewöhnen. Als man Lan fortführte, erkundigte er sich bei den Soldaten, ob es unter den Dienerinnen hübsche Mädchen gab und wie er seine Kleidung gereinigt und gebügelt bekam. Er interessierte sich fast genauso sehr für sein Aussehen – vor allem in Anwesenheit von Frauen, egal ob Jung oder Alt –, wie er sich für die Frauen selbst interessierte. Vielleicht war es der Gedanke gewesen, in von der Reise verschmutzten Gewändern vor der Shatayan und den Dienerinnen erscheinen zu müssen, der ihm missfallen hatte.
Zu Lans großer Erleichterung erhielt er trotz der Eskorte durch die Shatayan nicht die Gemächer eines zu Besuch weilenden Königs. Seine drei Zimmer waren geräumig, mit Seidengobelins an den blauen Wänden und einem breiten Sims in Form von stilisierten Bergen oben auf der hohen Decke, und die Möbel wiesen schlichtes Schnitzwerk mit geringer Vergoldung auf. Das Schlafzimmer hatte einen kleinen Balkon mit Blick auf einen der Palastgärten und ein Bett mit einer weichen Matratze, das breit genug war, um vier oder fünf Männer zu beherbergen. Es war seiner Stellung vollkommen angemessen, und er dankte Frau Romera vielleicht etwas überschwänglicher als nötig, denn sie lächelte und in ihren haselnussbraunen Augen lag ein Funkeln.
»Niemand kann wissen, was die Zukunft bringt, mein Lord«, sagte sie, »aber wir wissen, wer Ihr seid.« Und dann entrichtete sie ihm einen kleinen Knicks, bevor sie ging. Einen Knicks. Bemerkenswert. Was auch immer sie sagte, auch die Shatayan hatte ihre Erwartungen, was die Zukunft betraf.
Zusammen mit dem Gemach wurden ihm zwei Dienerinnen mit kantigen Gesichtern zugeteilt, Anya und Esne, die seine spärlichen Besitztümer im Kleiderschrank verstauten, und einen schlaksigen jungen Burschen namens Bulen für Besorgungen, der Lans Helm und Brust- und Rückenpanzer anstarrte, während er sie auf dem Ständer neben der Tür ablegte, obwohl er ähnliche schon oft gesehen haben musste.
»Ist Ihre Majestät anwesend?«, fragte Lan höflich.
»Nein, mein Lord«, erwiderte Anya, musterte den blutverschmierten Mantel stirnrunzelnd und legte ihn seufzend zur Seite. Sie hätte Esnes Mutter sein können. Es war nicht der Anblick des Blutes, der sie seufzen ließ – daran würde sie gewöhnt sein –, sondern die mühsame Arbeit, es aus dem Mantel zu bekommen. Mit Glück würde er ihn gereinigt und geflickt zurückbekommen.
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