Der Neue Frühling
eine Vorhersage gemacht?«
»Kümmere dich wieder um dein Buch, Kind.« Die Worte hatten Moiraines Mund noch nicht verlassen, als ihr auch schon bewusst wurde, dass sie falsch waren und dem widersprachen, was sie zuvor gesagt hatte. Aber jetzt war es zu spät. Sie drehte sich schnell um, hoffte, dass Elin ihr Erröten nicht bemerkt hatte, das plötzlich ihre Wangen erhitzte, und rauschte mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte, aus dem Empfangsraum. Nun, die Oberin der Novizinnen hatte dem Kind das Lesen erlaubt, und die Bibliothekare hatten ihr das Buch gegeben, falls nicht sogar eine Aufgenommene es ihr geliehen hatte. Aber Moiraine hasste es, wie eine Närrin zu klingen.
Aus der Tülle der Teekanne und aus der Wasserkanne stiegen leichte Dampfwolken, als Moiraine in das Wohnzimmer zurückkam und die Tür schloss. Siuan wurde nicht länger vom Schein Saidars umgeben. Wenn man die Eine Macht benutzte, kochte Wasser sehr schnell; der Trick bestand darin, zu verhindern, dass es sich sofort in eine Dampfwolke verwandelte. Siuan hatte zwei grüne Teetassen gefüllt und rührte in eine Honig hinein. Die andere war milchhell.
Siuan schob die Tasse, die sie umgerührt hatte, Moiraine zu. »Gitaras Tasse«, sagte sie leise und flüsterte mit einer Grimasse: »Sie mag genug Honig im Tee, um ihn in Sirup zu verwandeln. Sie hat mir befohlen, damit nicht geizig umzugehen!« Das Porzellan fühlte sich etwas zu heiß an Moiraines Fingerspitzen an, aber bis sie den Schreibtisch auf der anderen Seite des Raums erreicht hatte, an dem Gitara noch immer saß und jetzt ungeduldig mit den Fingern auf der Tischfläche herumtrommelte, würde der Tee die genau richtige Temperatur haben. Die Uhr aus poliertem Schwarzholz auf dem Kaminsims schlug zum Ersten Wecken. Die Signalhörner ertönten noch immer. Sie erschienen ungestüm, aber Moiraine wusste, dass das nur ihre Einbildungskraft war.
Tamra stand am Fenster und schaute in einen Himmel hinaus, der jeden Augenblick heller wurde. Sie starrte auch weiterhin hinaus, nachdem Siuan ihren Knicks gemacht und ihr die Tasse angeboten hatte, dann drehte sie sich um und erblickte Moiraine. Statt den Tee entgegenzunehmen, sagte sie: »Welche Nachrichten, Moiraine? Ihr wisst es besser, als herumzutrödeln.« Oh, sie war gereizt. Sie musste wissen, dass Moiraine unverzüglich gesprochen hätte, wäre da etwas gewesen.
Moiraine war im Begriff, Gitara ihre Tasse zu geben, aber bevor sie etwas erwidern konnte, sprang die Behüterin auf die Füße und stieß so hart gegen den Tisch, dass das Tintenfässchen umkippte und sich eine schwarze Pfütze auf dem Tisch ausbreitete. Dann stand sie zitternd da, die Arme starr an den Seiten, und starrte über Moiraines Kopf hinweg, die weit aufgerissenen Augen voller Entsetzen. Es war Entsetzen, ganz offensichtlich.
»Er ist wiedergeboren worden!«, rief Gitara. »Ich fühle ihn! Der Drache nimmt den ersten Atemzug an den Hängen des Drachenbergs! Er kommt! Er kommt! Das Licht steh uns bei! Das Licht helfe der Welt! Er liegt im Schnee und schreit wie der Donner! Er brennt wie die Sonne!«
Mit dem letzten Wort keuchte sie auf, ein kaum hörbarer Laut, und stürzte nach vorn in Moiraines Arme. Moiraine ließ die Teetasse fallen, um sie auffangen zu können, aber die größere Frau riss sie beide nach unten. Es kostete Moiraine ihre ganze Kraft, auf den Knien zu landen und die Behüterin zu halten, statt unter ihr zu liegen zu kommen.
Tamra war sofort da und kniete nieder, ohne auf die Tinte zu achten, die vom Tisch tropfte. Das Licht Saidars hüllte sie bereits ein, und sie hatte bereits ein Gewebe aus Geist, Luft und Wasser gewoben. Sie nahm Gitaras Kopf in die Hände und ließ das Gewebe in ihre reglose Gestalt eindringen. Aber aus der Tiefenschau, mit der die Gesundheit überprüft wurde, wurde kein Heilen. Moiraine sah hilflos in Gitaras starrende Augen und verstand den Grund dafür nicht. Sie hatte gehofft, dass da noch ein winziger Lebensfunken war, etwas, mit dem Tamra arbeiten konnte. Das Heilen konnte jede Krankheit kurieren, jede Verletzung heilen. Aber den Tod konnte man nicht Heilen. Die Tinte auf dem Tisch hatte sich weiter ausgebreitet und all das, was die Behüterin geschrieben hatte, unleserlich gemacht. Es war sehr seltsam, was einem in einem solchen Augenblick auffiel.
»Nicht jetzt, Gitara«, hauchte Tamra. Sie klang bis ins Mark erschöpft. »Nicht jetzt, wo ich Euch am meisten brauche.«
Langsam schaute sie nach oben, bis sich ihr
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