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Der neutrale Planet

Der neutrale Planet

Titel: Der neutrale Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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das Gewicht eines Menschen sich nicht bemerkbar machte, hätte ein durch den Hain rollendes Fahrzeug die Bäume im Chor aufschreien lassen. Naomi ging barfuß. Holbrook, neben ihr, trug Kniestiefel. Er kam sich neben ihr unmöglich groß und ungeschlacht vor.
    Sie spielte sein Spiel mit den Bäumen. Er hatte sie mit allen bekanntgemacht, und jetzt hüpfte sie dahin und begrüßte Alkibiades und Hektor, Seneca, Heinrich VIII. Thomas Jefferson und König Tut. Naomi kannte alle Bäume so gut wie er, vielleicht noch besser, und sie kannten Naomi. Sie kräuselten sich, putzten sich, raschelten, jeder ganz aufrecht, Äste und Zweige hübsch geordnet; selbst der verdrießliche alte Sokrates, schief und stummelhaft, schien auffallen zu wollen. Naomi ging zu dem großen, grauen Kasten, wo die Roboter jede Nacht Fleischstücke hinterließen, und holte etwas für ihre Lieblinge. Würfel aus rotem, rohem Fleisch; sie füllte ihre Arme mit den blutigen Klumpen und tanzte fröhlich durch den Hain, um sie ihren Günstlingen zuzuwerfen. Die Bäume schnellten Ranken vor, fingen die Stücke auf und stopften sie in die Schlünde. Die Bäume brauchten kein Fleisch, aber sie mochten es, und bei den Pflanzern galt die Meinung, daß gutgefütterte Bäume den meisten Saft hervorbrachten. Holbrook gab seinen Bäumen dreimal in der Woche Fleisch, außer im Sektor D, der es täglich bekam.
    »Laß keinen aus«, rief Holbrook.
    »Du weißt, daß das nicht vorkommt.«
    Kein Stück fiel auf den Boden. Manchmal griffen zwei Bäume gleichzeitig nach einem Klumpen, und es gab einen kleinen Kampf. Die Bäume waren nicht unbedingt Freund miteinander; zwischen Caesar und Heinrich VIII. herrschte böses Blut, und Cato verabscheute offensichtlich Sokrätes und Alkibiades, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Ab und zu fanden Holbrook oder sein Personal am Morgen abgeschlagene Äste. Normalerweise waren aber selbst Bäume widersprüchlicher Persönlichkeit nachsichtig zueinander. Sie mußten es, weil sie zu ewiger Nachbarschaft verdammt waren. Holbrook hatte einmal versucht, im Sektor F zwei Bäume zu trennen, die sich heftig bekämpften, aber es war unmöglich, einen voll ausgewachsenen Baum auszugraben, ohne ihn zu töten und die Nervensysteme seiner dreißig nächsten Nachbarn zu stören, wie er festgestellt hatte.
    Während Naomi die Bäume fütterte und sich mit ihnen unterhielt, ihre schuppigen Flanken tätschelte, wie man es mit einem zahmen Rhinozeros hätte machen können, faltete Holbrook eine Teleskopleiter auseinander und untersuchte das Laub noch einmal nach Rost. Viel Sinn hatte das freilich nicht. Der Rost wurde auf dem Laub erst sichtbar, wenn er das Wurzelgefüge des Baumes schon durchdrungen hatte, und die orangeroten Flecken, die er gesehen zu haben glaubte, waren vermutlich Einbildung. In ein, zwei Stunden würden die Laborergebnisse kommen und ihm alles sagen, was er wissen mußte, so oder so. Trotzdem konnte er es nicht unterlassen, nachzusehen. Er schnitt von einem der unteren Äste Platos ein Bündel Blätter ab, wofür er sich entschuldigte, drehte sie in den Händen und rieb ihre glatte Unterseite. Was ist das, diese winzigen Kolonien rötlicher Partikel? Sein Gehirn versuchte, die Möglichkeit von Rost abzuweisen. Eine über die Welten schreitende Seuche, die ihn so im Innersten traf und ihn ruinierte? Er hatte seine Pflanzung vorwiegend auf Kredit aufgebaut. Wenn sie vom Rost befallen wurde und soviel Bäume tötete, daß sein Eigenanteil unter den erforderlichen Betrag sank, würde die Bank alles übernehmen. Vielleicht würde man ihn als Geschäftsführer behalten. Er hatte von solchen Dingen gehört.
    Plato raschelte unsicher.
    »Was ist, alter Knabe?« murmelte Holbrook. »Du hast ihn, nicht? In deinem Inneren schwimmt etwas Seltsames, wie? Ich weiß, ich weiß. Ich fühle es auch. Wir müssen Philosophen sein, alle beide.« Er warf die Blätter auf den Boden und stieg die Leiter hinauf zu Alkibiades. »Na, mein Schöner, na. Laß mich nachsehen. Ich schneide dir nichts ab.« Er konnte sich vorstellen, daß der stolze Baum schnaubte und gereizt aufstampfte. »Ein bißchen fleckig, da unten, nein? Du hast ihn auch. Richtig?« Die äußeren Äste des Baumes klappten zu, als schrumpfe Alkibiades gequält in sich zusammen. Holbrook rollte weiter die Reihe entlang. Die Rostflecken waren viel deutlicher als am Vortag. Also keine Einbildung. Sektor C war davon befallen. Er brauchte nicht mehr auf den Laborbericht zu warten. Er

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