Der Nine-Eleven-Junge - Bruton, C: Nine-Eleven-Junge - We can be heroes
Ferien hat. Ich sollte wahrscheinlich froh sein, dass ich die letzte Woche des Schuljahres verpasse, aber ich bin es nicht – nicht so richtig jedenfalls. Über ihrer Schuluniform trägt das Mädchen eine Art rotes Tutu, und an den Füßen hat sie Heelys, diese Turnschuhe mit den eingebauten Rollen in den Fersen – das sehe ich an der Art, wie sie damit herumflitzt. Die Schuhe sind grellpink und sehen sehr neu aus.
Sie schaut hoch und sieht mich im Fenster, aber sie beachtet mich nicht. Dann fährt sie in der Einfahrt auf und ab. Sie fährt saubere Kreise und kommt schließlich mit einem Schlenker vor der Haustür zum Stehen – als wäre sie eine Olympiaturnerin oder eine Eiskunstläuferin oder so was. Stevie bleibt stehen und sieht zu, aber das Haarbüschelmädchen beachtet sie ebenso wenig wie mich und fährt weiter.
Ich zeichne eine Superheldin mit Rädern an den Schuhen – mit großen fliegenden Haarbüscheln, und die Räder in ihren Absätzen drehen sich mit Lichtgeschwindigkeit. Sie zischt an Stevie auf ihrem fliegenden Fahrrad vorbei, und an der Kuh mit dem Hula-Hoop-Reifen und dem auf dem Kopf stehenden Klavier mit dem Goldfischglas.
Und dann, plötzlich, hält das Heely-Mädchen an, stellt sich auf die Absätze, stützt die Hände in die Hüften und starrt zu dem Fenster hoch, in dem ich sitze. Starrt mich direkt an. Und winkt.
Fünf Minuten später steht sie vor der Tür. Sie lehnt sich auf die Radabsätze zurück, sodass sie leicht nach hinten geneigt ist. Sie will mich abchecken.
»Ich bin Priti Muhammed«, sagt sie. Sie schaut dabei meine Oma an; mich übersieht sie demonstrativ. »Aber meine große Schwester sagt, das bin ich gar nicht. Pretty , meine ich, hübsch. Sie findet, wir sollten die Namen tauschen, aber sie ist total eingebildet und egozentrisch, also kann man von ihr auch nichts anderes erwarten, oder? Jedenfalls, meine Mum sagt, ich soll Ihren Jungen fragen, ob er mit mir rumhängen will.«
Ich sage kein Wort.
Oma lächelt. »Na, ich finde, du bist sehr hübsch«, sagt sie. »Und es ist sehr lieb von dir, dass du mit Ben spielen möchtest. Was sagst du dazu, Ben?«
Ich sollte einfach behaupten, dass ich müde bin (das Heely-Mädchen ist nämlich ganz eindeutig jünger als ich – und ein Mädchen), aber anstatt das zu sagen, werde ich richtig rot und bekomme plötzlich kein Wort mehr heraus.
»Kann er nicht reden?«, fragt Priti und guckt mich seltsam an. Ganz klar, sie hält mich für komisch.
»Er hatte nur einen schweren Tag«, sagt Oma sanft. »Was meinst du, Ben? Möchtest du mit Priti ›rumhängen‹?«
Ich zucke mit den Schultern (und ich spüre, wie mein Gesicht die Farbe eingelegter Roter Bete annimmt).
»Na, das sieht doch nach einem Ja aus, Priti«, sagt Oma fröhlich.
Mir rutscht das Herz in die Hose. Ich weiß, sie will mir nur helfen, aber ich wollte etwas anderes sagen.
Priti grinst von einem Ohr zum anderen.
Ich stelle mir vor, wie ich eine Grinsekatze mit Pritis Gesicht zeichne. Statt Ohren hat sie riesige Haarbüschel. Und sie trägt pinkfarbene Heelys.
Priti schießt den Weg vor dem Haus entlang, und ich muss ihr nachlaufen.
»Also, was willst du machen?«, fragt sie, als ich sie schließlich einhole.
Ich zucke mit den Schultern.
Wir sehen uns in der Sackgasse um. Die kleine Stevie ist von ihrem Fahrrad gefallen und weint. Ich überlege, ob wir hinübergehen und ihr helfen sollen, aber ihre Mutter lehnt sich aus dem Fenster und brüllt sie an, sie solle mit dem Heulen aufhören und reinkommen. Stevie steht auf und humpelt ins Haus. Das rosa Fahrrad lässt sie liegen. Sie blutet am Knie, und ihr Gesicht ist tränenüberströmt. Als sie weg ist, gibt es nicht mehr viel zu sehen.
Priti dreht sich um, sieht mich mit gekrauster Nase an und fragt: »Du kannst aber schon reden, oder?«
»Ja!«, sage ich und werde wieder rot. »Ich bin nicht zurückgeblieben oder so was.«
»Gut, ich habe mir schon Sorgen gemacht. Du redest aber komisch. Wo kommst du eigentlich her?«
»Aus Somerset«, sage ich.
»Nie davon gehört. Das ist auf dem Land, oder?«
Ich nicke.
»Das erklärt, wieso du so komisch redest.«
»Ich rede nicht komisch.«
»Tust du wohl. Du sprichst jedes I wie ein Oi aus.«
»Mache ich nicht!«
»Doch, hast du gerade gemacht. Du klingst wie ein Bauer.«
Ich will ihr entgegnen, dass sie durch die Nase spricht, aber sie lässt mir keine Gelegenheit.
»Warum bist du jetzt überhaupt hier?«, fragt sie.
»Ich besuche meine
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