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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Mein Vater, Hans Mayer, ist ein deutscher Jude, der in den Vereinigten Staaten aufwuchs und zur Schule ging und nach dem College dann in den diplomatischen Dienst trat.
    Er lernte meine Mutter 1905 kennen und heiratete sie im selben Jahr. Ein, zwei Jahre später erbte sie dann ein auf Gummireifen gegründetes Familienvermögen, was erklärt, warum ich so weich durchs Leben geglitten bin. Ich war in Groton. Dann in Harvard, wo ich Philosophie studierte, sehr zur Enttäuschung meines Vaters, der der Überzeugung ist, alle Philosophen seien verrückte deutsche Syphilitiker, die glauben, dass Gott tot ist.
    Tatsächlich neigt meine ganze Familie zu der Ansicht, dass ich mein Leben vergeudet habe.
    Nach dem College blieb ich noch eine Zeit lang in Harvard.
    Machte meinen Doktor und bekam das Sheldon-Reisestipendium. Also ging ich über Cambridge nach Wien und veröffentlichte ein ziemlich langweiliges Buch. Ich blieb noch eine Weile in Wien und nahm dann eine Dozentenstelle in Berlin an. Über München kehrte ich schließlich nach Harvard zurück und veröffentlichte ein weiteres ziemlich langweiliges Buch.«
    »Ich habe Ihr Werk gelesen, Professor. Eines Ihrer Werke jedenfalls. Der empirische Mensch. Ich will nicht so tun, als hätte ich alles verstanden, aber mir scheint doch, Sie haben sehr großes Vertrauen in die Wissenschaft.«
    »Ich weiß nicht, ob ich es Vertrauen nennen würde, aber ich bin der Überzeugung, wenn ein Philosoph etwas zur menschlichen Erkenntnis beitragen will, muss er auf wissenschaftlichem Weg zu dieser Erkenntnis gelangen. Mein Buch vertritt den Standpunkt, dass wir nicht so vieles als 10

    gegeben annehmen sollten, was lediglich auf Spekulation beruht.«
    Roosevelt schwenkte zum Schreibtisch und ergriff ein Buch, das neben einem bronzenen Schiffssteuerrad lag. Es war eines meiner Bücher. »Wenn Sie mittels dieser Methode zu der Behauptung gelangen, Moral sei letztlich nur eine überkommene Idee, habe ich Schwierigkeiten damit.« Er schlug das Buch auf, fand die Sätze, die er unterstrichen hatte, und las vor: »Ästhetik und Moral sind insofern deckungsgleich, als keinem von beidem eine objektive Gültigkeit zugesprochen werden kann, und die Behauptung, die Wahrheit zu sagen sei nachweislich gut, ist nicht sinnvoller als die Behauptung, ein Gemälde von Rembrandt sei nachweislich ein gutes Gemälde. Keine der beiden Aussagen ist in irgendeiner Weise sachhaltig.«
    Roosevelt schüttelte den Kopf. »Ganz abgesehen von den Gefahren, die eine solche Position gerade in einer Zeit birgt, da die Nazis wild entschlossen sind, alle bisherigen Moralbegriffe zu zertrümmern, scheint mir doch, dass Sie da etwas übersehen.
    Ein ethisches Urteil ist sehr häufig nur die sachhaltige Klassifizierung einer Handlung, die die Menschen nachweislich in einer bestimmten Weise erregt. Mit anderen Worten, Gegenstand moralischer Missbilligung sind für gewöhnlich Handlungen oder Handlungsklassen, die sehr wohl einer empirischen Untersuchung zugänglich sind.«
    Ich lächelte den Präsidenten an, weil ich es sympathisch fand, dass er sich die Mühe gemacht hatte, Teile meines Buchs zu lesen und sich mit mir auseinander zu setzen. Ich wollte ihm gerade antworten, als er das Buch hinwarf und sagte: »Aber ich habe Sie nicht hergebeten, um über Philosophie zu diskutieren.«
    »Nein, Sir.«
    »Sagen Sie, wie sind Sie zu Donovans Truppe gekommen?«
    »Schon bald nach meiner Rückkehr aus Europa bot man mir eine Stelle in Princeton an, wo ich dann Extraordinarius wurde.
    11

    Nach Pearl Harbor bewarb ich mich für den Dienst bei der Marine-Reserve, aber noch ehe meine Bewerbung bearbeitet werden konnte, traf ich mich mit einem Freund meines Vaters, einem Juristen namens Allan Dulles, zum Mittagessen. Er überredete mich, dem Central Office of Information beizutreten.
    Als unser Teil des COI zum Office of Strategic Service wurde, kam ich nach Washington. Jetzt bin ich Analyst für deutsche Nachrichtendiensttätigkeit.«
    Roosevelt drehte sich im Rollstuhl um, als plötzlich Regen gegen das Fenster prasselte. Das Hemd spannte um die kräftigen Schultern und den breiten Nacken, aber seine Beine waren im Gegensatz dazu so schwach und mager, als hätte sein Schöpfer sie versehentlich an den falschen Körper gesetzt. Die Kombination von Rollstuhl, Kneifer und der fast zwanzig Zentimeter langen Zigarettenspitze, die zwischen seinen Zähnen klemmte, gab ihm etwas von einem Hollywood-Regisseur.
    »Ich wusste gar nicht, dass es

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