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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Es lag kaum ein Dutzend Häuserblocks entfernt, und für das, was Ricky vorschwebte, schien es die beste Wahl. Der Wagen schoss nach vorne und raste durch Midtown-Manhattan, wie es für New Yorker Taxis charakteristisch ist – rasche Beschleunigung, scharfes Bremsen, häufiger Spurwechsel, Slalom durch den Verkehr, eine Fahrweise, die sie nicht langsamer und nicht schneller ans Ziel bringt als ein gerader, stetiger Kurs. Ricky sah auf das Namensschild des Fahrers und hatte es, wie zu erwarten, auch diesmal mit einem unaussprechlichen, ausländischen Namen zu tun. Er lehnte sich zurück und dachte, wie schwer es manchmal war, in Manhattan ein Taxi zu erwischen, und wie auffällig, dass gerade in dem Moment eins auf der Bildfläche erschien, als ervollkommen fertig aus der Anwaltskanzlei trat. Als hätte es nur auf ihn gewartet.
    Vor dem Hoteleingang riss der Mann das Steuer herum und fuhr schwungvoll an den Bürgersteig heran. Ricky stopfte ein paar Geldscheine durch den Schlitz neben der Plexiglas-Trennwand und stieg aus. Er stürmte am Portier vorbei die Eingangsstufen hoch und ging durch die Drehtür hinein. In der Lobby drängten sich die Gäste, und er schlängelte sich an mehreren Menschentrauben und Reisegruppen und an Bergen von Gepäck und herumflitzenden Hotelpagen vorbei zum Palm Court. Am anderen Ende des Restaurants blieb er stehen, starrte einen Moment auf die Speisekarte. Dann lief er, leicht vorgebeugt und so schnell, wie er konnte, ohne unnötig aufzufallen, wie ein Mann, der Angst hat, den Zug zu verpassen, Richtung Flur. Er verließ das Hotel durch den Ausgang am südlichen Ende des Central Park und war wieder auf der Straße.
    Ein Türsteher winkte Taxis heran, sobald ein Gast erschien. Ricky drängte an einer Familie am Bordstein vorbei.
    »Gestatten Sie«, sagte er zu dem Vater um die vierzig im hawaiibedruckten Freizeithemd, der über drei wilde Bälger im Alter von sechs bis zehn Jahren wachte. Eine mausgraue Ehefrau stand ein Stück beiseite und gluckte über der ganzen Brut. »Ich habe eine Art Notfall. Ich will nicht unhöflich sein, aber …« Der Vater sah Ricky schief an, als ob es bei einem Familienausflug von Idaho nach New York nun mal dazu gehörte, dass einem das Taxi vor der Nase weggeschnappt wurde, und deutete wortlos auf die Tür. Ricky sprang hinein, knallte die Tür hinter sich zu und hörte nur noch, wie die Frau zu ihrem Gatten sagte: »Was tust du da, Ralph? Das war für uns …«
    Dieser Fahrer, dachte Ricky, war wenigstens nicht von Rumpelstilzchenangeheuert. Er gab dem Mann die Adresse von Merlins Kanzlei.
    Wie vermutet, stand der Umzugswagen nicht mehr vor der Tür. Auch der Mann vom Sicherheitsdienst in seinem blauen Blazer war verschwunden.
    Ricky beugte sich vor und klopfte an die Scheibe. »Fahren Sie mich bitte zu dieser Adresse«, sagte er. »Ich hab’s mir anders überlegt.« Er las die neue auf der Karte des Anwalts vor. »Aber halten Sie, wenn Sie in die Nähe kommen, etwa eine Straßenecke früher, ja? Ich möchte nicht direkt vorfahren.«
    Der Fahrer nickte und zuckte stumm die Achseln.
    Eine Viertelstunde lang wühlten sie sich durch den Verkehr. Die Adresse auf Merlins Karte war nicht weit von der Wall Street und roch nach Prestige.
    Der Fahrer folgte Rickys Anweisungen und hielt einen Block vorher an. »Da vorne«, sagte der Mann. »Soll ich rüberfahren?«
    »Nein«, erwiderte Ricky. »Das genügt.« Er bezahlte und befreite sich aus der Enge des Fahrgastraums.
    Wie nicht weiter verwunderlich, war von dem Möbelwagen vor dem großen Bürogebäude noch nichts zu sehen. Er blickte links und rechts die Straße entlang, doch von dem Anwalt oder seiner Firma oder dem Büromobiliar keine Spur. Er überprüfte nochmals die Adresse auf der Karte, um jeden Irrtum auszuschließen, warf dann einen Blick in das Gebäude und sah, dass sich direkt hinter der Eingangstür der Wachtisch eines Sicherheitsdienstes befand. Ein einsamer Mann in Uniform saß hinter einer Reihe Video-Monitore und einer elektronischen Tafel, die die Bewegungen des Fahrstuhls anzeigte, und las in einem Taschenbuchroman. Ricky betrat das Gebäude und ging erst einmal zu dem Büroverzeichnis an der Wand. Er überflog die Liste und fand nirgends den NamenMerlin. Ricky trat zu dem Mann vom Sicherheitsdienst, der von seiner Lektüre aufsah.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er.
    »Ja«, sagte Ricky. »Anscheinend bin ich hier falsch. Ich habe diese Visitenkarte eines Anwalts, aber ich finde ihn

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