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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Kapitel 1
    E s war noch früh am Morgen, als sie das Dorf der Mutanten verließen. Der Himmel wölbte sich klar und weit über ihren Köpfen, und die am Horizont aufgehende Sonne färbte ihn in fahlen Gelb- und Orangetönen. Ein weiterer sengend heißer Tag kündigte sich an.
    Sie waren zu dritt: Carya, Jonan und der Mutant Mablo, der ihnen in der Wildnis den Weg wies. Trockenes Gras knisterte unter ihren Füßen, und dornige Büsche strichen ihnen um die Beine. Carya war froh, dass sie die feste Hose trug, die eine der Dorfbewohnerinnen ihr geschenkt hatte. Für jemanden, der normalerweise Röcke gewohnt war, mochte sie ein wenig eng und unbequem sein, aber die Alternative wäre gewesen, sich gehörig die Waden zu zerkratzen.
    Ihr Weg führte sie querfeldein durch die Wiesen. Einen Pfad gab es nicht. Doch ihr Ziel lag auch nicht in der Zivilisation, sondern in der hügeligen, dicht bewaldeten Einöde östlich der Siedlung der Ausgestoßenen. Wobei sie eigentlich gar kein festes Ziel hatten. Carya und die beiden Männer waren auf der Jagd.
    Ursprünglich hatte Mablo Carya gar nicht mitnehmen wollen. Jagen sei nichts für die Tochter des Himmels, hatte er gesagt, als er mit Jonan gestern Abend diese Unternehmung geplant hatte. Und ein Teil von Carya gab ihm sogar recht, wenngleich aus anderen Gründen. Sie hegte kein besonderes Bedürfnis, irgendwelche Tiere mit Pfeil und Bogen zu erlegen. In den letzten Wochen hatte sie mehr Tod gesehen, als ein Mädchen von sechzehneinhalb Jahren kennen sollte.
    Den ersten kaltblütigen Mord hatte sie in der Richtkammer im Keller des Tribunalpalasts im Herzen von Arcadion miterleben müssen, als Inquisitor Loraldi auf Befehl von Großinquisitor Aidalon den angeklagten Invitro Mondo Laura mit einer Art Hammer exekutiert hatte. Nach der grausamen Folter, die der Mann zuvor hatte durchleiden müssen, war sein Tod beinahe ein Gnadenakt gewesen.
    Wenig später hatte Carya selbst ihren ersten Menschen getötet, Tobyn, den Invitro-Geliebten ihrer besten Freundin Rajael, der nach Mondo Laura vor die Richter geführt worden war. Eigentlich hätte Rajael, die sich mit Caryas Hilfe bei dem nur für ausgewähltes Publikum zugänglichen Prozess eingeschlichen hatte, den Todesschuss abfeuern sollen. Schließlich war sie es auch gewesen, die die Waffe ohne Caryas Wissen in den Tribunalpalast eingeschmuggelt hatte. Doch kurz vor dem Abdrücken hatte sie der Mut verlassen, und so war es an Carya gewesen, Tobyn diesen außergewöhnlichen Liebesdienst zu erweisen.
    Und damit hatte die Spirale des Leids erst begonnen, sich zu drehen. Kurz darauf war Rajael selbst in den Freitod gegangen. Dann waren die Inquisitoren und ihre Schwarzen Templer gekommen und hatten Caryas Eltern festgenommen, und bei dem Versuch, sie zu befreien, hatte Carya höchstwahrscheinlich einen jungen Wachsoldaten umgebracht. Wie viele Menschen gestorben waren, als die Inquisition Jonan, Pitlit und sie nach ihrer gemeinsamen Flucht aus Arcadion hier in der Wildnis bei den Mutanten aufgespürt hatte, wagte Carya sich gar nicht auszumalen. Die Häscher des Lux Dei hatten mithilfe einer angeheuerten Motorradgang ein schreckliches Blutbad unter den Männern, Frauen und Kindern angerichtet, die Carya und ihren Gefährten eine zeitweilige Bleibe geboten hatten.
    Und schließlich wäre sie beinahe selbst gestorben. Von den Schwarzen Templern verschleppt und gemeinsam mit ihren Eltern der Gerichtsbarkeit von Großinquisitor Aidalon unterworfen, hatte man sie zum Tod durch den Strang verurteilt. Erst in letzter Sekunde, als Carya bereits auf dem Quirinalsplatz vom Galgen baumelte und qualvoll erstickte, war Jonan gekommen und hatte sie alle gerettet.
    Auch hierbei waren Menschen gestorben, schuldige und unschuldige. Nur der eine, der Urheber für all das Leid, hatte überlebt: Aidalon! Carya hatte ihn in ihrer Gewalt gehabt. Der Lauf ihrer Pistole, einem toten Wachmann aus der kalt werdenden Hand gerungen, hatte bereits an seiner Schläfe gelegen, und der Großinquisitor, eingeklemmt unter dem schweren, gepanzerten Leib eines seiner Templergardisten, war vollkommen wehrlos gewesen.
    Doch sie hatte nicht abgedrückt. Vielleicht hatte Jonan sie davon abgehalten, der plötzlich hinter ihr aufgetaucht war und beschwörend auf sie eingeredet hatte. Vielleicht war es aber auch der Teil ihres Inneren gewesen, der kein besonderes Bedürfnis hegte, irgendwelche Tiere mit Pfeil und Bogen zu erlegen.
    Ihr zweites Ich, ihre Kämpfernatur, die an dem

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