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Der Pfad der Dolche

Der Pfad der Dolche

Titel: Der Pfad der Dolche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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das war nicht möglich. Anders als Elayne konnte sie keine fünf oder sechs Schritte weit gehen, ohne daß ihr Gewebe schwächer wurde, und dasselbe geschah, wenn sie es abbinden wollte. Es war sehr enttäuschend.
    Dieses Mal drohte keine erkennbare Gefahr, so daß die Aes Sedai unmittelbar folgten, auch Elayne und Nynaeve. Bauernhöfe standen in dem bewaldeten Gebiet dicht an dicht, und ein wandernder Schafhirte oder ein junges Paar, das Ungestörtheit suchte, müßten vielleicht daran gehindert werden, zuviel zu sehen, aber keine Schattenseelen oder Schattenläufer konnten diese Lichtung kennen. Nur sie, Elayne und Nynaeve kannten sie, und sie hatten bei ihrer Wahl des Ortes aus Angst vor Lauschern nicht darüber gesprochen. Auf der Lichtung sah Elayne Aviendha fragend an, aber Aviendha bedeutete ihr weiterzugehen. Pläne wurden gemacht, um befolgt zu werden, es sei denn, es gab einen Grund, sie zu ändern.
    Die Windsucherinnen betraten nacheinander die Lichtung, alle plötzlich unschlüssig, als sie sich diesem Wegetor näherten, von dem sie niemals auch nur geträumt hatten. Sie atmeten tief durch, bevor sie hindurchtraten. Das Kribbeln kehrte jäh zurück.
    Aviendha hob den Blick zu den auf den Stallhof hinausführenden Fenstern. Jedermann könnte sich hinter den weißen schmiedeeisernen oder holzgeschnitzten Sichtblenden verbergen. Tylin hatte den Dienern befohlen, diesen Fenstern fernzubleiben, aber wer würde Teslyn aufhalten oder Joline oder... Etwas zog ihren Blick höher hinauf, zu den Kuppeln und Türmen. Schmale Gänge umgaben einige der schlanken Türme, und auf einem sehr hoch aufragenden Turm war eine schwarze Gestalt zu sehen, von dem in ihrem Rücken befindlichen Strahlenkranz der Sonne scharf abgezeichnet. Ein Mann.
    Ihr stockte der Atem. Nichts an seiner Haltung mit den Händen auf der Steinbrüstung zeugte von Gefahr, und doch wußte sie, daß er derjenige war, der das Kribbeln zwischen ihren Schulterblättern verursachte. Eine der Schattenseelen würde nicht einfach dort stehenbleiben und beobachten, aber dieses Wesen, dieser Gholam... Eis bildete sich in ihrer Magengrube. Er war vielleicht einfach nur ein Palastdiener. Vielleicht, aber sie glaubte es nicht. Man mußte sich nicht schämen, Angst zu empfinden.
    Sie schaute besorgt zu den noch immer mit quälender Langsamkeit durch das Wegetor ziehenden Frauen. Die Hälfte der Meervolk-Frauen war hindurch gelangt, und der Frauenkreis wartete hinter den übrigen, die Schattenläuferin fest im Griff, während ihr Unbehagen, dort hindurchgehen zu müssen, von Unmut überlagert wurde, weil es den MeervolkFrauen erlaubt war, zuerst zu gehen. Wenn sie ihren Verdacht äußerte, würden sich die Frauen der Schwesternschaft gewiß beeilen - die bloße Erwähnung der Schattenseelen versetzte sie in Angst und Schrecken -, während die Windsucherinnen durchaus versuchen könnten, die Schale sofort für sich zu beanspruchen. Für sie war die Schale wichtiger als alles andere. Aber nur eine blinde Närrin blieb gemächlich stehen, während sich ein Löwe an die Herde anschlich, die sie bewachen sollte. Sie ergriff eine der Atha'an Miere an einem roten Seidenärmel.
    »Sagt Elayne...« Ein Gesicht wie glatter schwarzer Stein wandte sich ihr zu. Irgendwie gelang es der Frau, ihre vollen Lippen dünn erscheinen zu lassen. Ihre Augen waren schwarze Kieselsteine, flach und hart. Welche Botschaft konnte sie schicken, die nicht all die Schwierigkeiten heraufbeschwor, die sie von diesen Frauen fürchtete? »Sagt Elayne und Nynaeve, sie sollen vorsichtig sein. Sagt ihnen, Feinde kämen stets dann, wenn man sie am wenigsten erwartet. Ihr müßt ihnen dies wörtlich ausrichten.« Die Windsucherin nickte mit kaum verhaltener Ungeduld, wartete aber überraschenderweise, bis Aviendha sie losließ, bevor sie zögernd durch das Wegetor trat.
    Der Gang oben um den Turm war nun verlassen. Aviendha verspürte keine Erleichterung. Er konnte überall sein. Vielleicht auf dem Weg zum Stallhof hinab. Wer auch immer er war, was auch immer er vorhatte - er war gefährlich. Die Gefahr existierte nicht nur in ihrer Einbildung. Die letzten vier Behüter hatten ein Viereck um das Wegetor gebildet, eine Wache, die als letzte gehen würde, und so sehr sie ihre Schwerter auch verachtete, war sie doch dankbar, daß noch jemand außer ihr mit dem scharfen Metall umgehen konnte. Nicht daß die Behüter gegen einen
    Gholam - oder, noch schlimmer, gegen eine der Schattenseelen - eine größere

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