Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pfad der Dolche

Der Pfad der Dolche

Titel: Der Pfad der Dolche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
freundlicher an. Auch sie wußten in ihren Herzen, daß die Schwesternschaft weit unter ihnen stand. Aber die Verräterin war eine von ihnen gewesen, und niemand außer ihnen hatte das Recht, sie zu richten. Aviendha stimmte zu. Eine Tochter des Speers, die ihre Speerschwestern verriet, starb weder schnell noch ehrenvoll.
    Nynaeve zog den Sack nachdrücklich wieder über Ispan Shefars Kopf. »Ihr habt sie bisher gut bewacht, und Ihr werdet sie weiterhin gut bewachen«, belehrte sie die Schwesternschaft bestimmt. »Wenn sie Anzeichen zeigt, sich zu erholen, zwingt ihr ein wenig von der Kräutermischung die Kehle hinab. Das wird sie wieder trunken machen. Haltet ihr die Nase zu, wenn sie nicht schlucken will. Selbst eine Aes Sedai wird schlucken, wenn man ihr die Nase zuhält und ihr droht, sie zu ohrfeigen.«
    Reannes Kinn sank herab, und ihre Augen weiteten sich wie auch die Augen der meisten ihrer Begleiterinnen. Sumeko nickte zögerlich und blickte fast genauso starr wie die anderen. Wenn Frauen der Schwesternschaft den Namen Aes Sedai aussprachen, könnten sie ebensogut den Schöpfer benennen. Der Gedanke daran, einer Aes Sedai die Nase zuzuhalten, selbst einer Schattenläufer in, zeichnete ihre Gesichter mit Entsetzen.
    Den geweiteten Augen der Aes Sedai nach zu urteilen, gefiel ihnen die Vorstellung noch weniger. Merilille Öffnete den Mund, wobei sie Nynaeve ansah, aber genau in diesem Moment erreichte Elayne sie, und die Graue Schwester wandte sich statt dessen ihr zu, wobei sie für Birgitte kaum ein mißbilligendes Stirnrunzeln übrig hatte. An ihrer eher lauter als leiser werdenden Stimme konnte man das Maß ihrer Erschütterung erkennen. Merilille war für gewöhnlich sehr besonnen. »Elayne, Ihr müßt mit Nynaeve sprechen. Diese Frauen sind bereits verwirrt und zutiefst verängstigt. Es wird nicht sehr hilfreich sein, wenn Nynaeve sie noch weiter aufregt. Wenn der Amyrlin-Sitz ihnen wirklich die Erlaubnis geben will, zur Burg zu gehen«, sie schüttelte zögernd den Kopf, um den Gedanken weit von sich zu weisen, »wenn sie das beabsichtigt, müssen sie eine klare Vorstellung von ihrem Platz bekommen und...«
    »Das beabsichtigt die Amyrlin tatsächlich«, unterbrach Elayne sie. Bei Nynaeve wirkte ein bestimmter Tonfall wie eine unter der Nase geschüttelte Faust. Bei Elayne vermittelte er ruhige Gelassenheit. »Sie werden eine zweite Chance bekommen, und wenn sie versagen, werden sie dennoch nicht fortgeschickt werden. Keine Frau, welche die Macht lenken kann, wird wieder von der Burg abgeschnitten werden. Sie werden alle Teil der Weißen Burg bleiben.«
    Aviendha betastete müßig ihren Gürteldolch und wunderte sich über Elaynes Worte. Egwene, Elaynes Amyrlin-Sitz, dachte ungefähr dasselbe. Sie war auch eine Freundin, aber sie hielt ihr Herz in der Nähe von Aes Sedai verhüllt. Aviendha selbst wollte kein Teil der Weißen Burg sein, und sie bezweifelte stark, daß Sorilea oder eine andere Weise Frau dies wollte.
    Merilille seufzte und faltete die Hände, senkte ihre Stimme aber trotz ihrer nach außen gezeigten Billigung nicht. »Wie Ihr meint, Elayne. Aber wegen Ispan - wir können einfach nicht zulassen...«
    Elayne hob jäh eine Hand und gebot gebieterisch Schweigen. »Hört auf, Merilille. Ihr müßt die Schale der Winde bewachen. Das genügt jedermann. Es wird auch Euch genügen.«
    Merilille öffnete den Mund, schloß ihn dann wieder und beugte nachgiebig ein wenig den Kopf. Die anderen Aes Sedai beugten ihre Köpfe unter Elaynes stetem Blick ebenfalls. Wenn einige Widerwillen zeigten - wie schwach auch immer -, so galt das doch nicht für alle.
    Sareitha nahm rasch das scheibenförmige Bündel auf, das zu ihren Füßen gelegen hatte und mit Schichten weißer Seide umwickelt war. Ihre Arme reichten kaum darum herum, als sie die Schale der Winde an ihren Busen drückte und Elayne besorgt anlächelte, als wolle sie zeigen, daß sie die Schale wirklich gut bewachte.
    Die Meervolk-Frauen betrachteten das Bündel begierig und beugten sich beinahe vor. Aviendha wäre nicht überrascht gewesen, wenn sie über die Steine gesprungen wären, um die Schale zu ergreifen. Die Aes Sedai sahen eindeutig das gleiche. Sareitha umklammerte das weiße Bündel noch fester, und Merilille trat tatsächlich zwischen sie und die Atha'an Miere. Glatte Aes Sedai-Gesichter spannten sich an, vergeblich um Ausdruckslosigkeit bemüht. Sie waren der Meinung, die Schale sollte ihnen gehören. Alle Dinge, welche die Eine

Weitere Kostenlose Bücher