Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
Man sah sie, dann starb man. Nur sehr, sehr wenige Glückliche lebten danach weiter. Die Todessprengsel wussten, wann das Ende nahe war.
Blasen an Fingern und Zehen, verursacht durch Erfrierungen. Desinfektionsmittel auf alle aufplatzenden Blasen streichen. Die natürlichen Heilkräfte des Körpers unterstützen. Dauerhafte Schäden sind unwahrscheinlich.
Vor den Todessprengseln stand eine winzige Lichtgestalt. Sie war nicht mehr so durchscheinend, wie sie Kaladin bisher erschienen war, sondern aus reinem, weißem Licht. Das sanfte weibliche Gesicht war nun kantiger geworden. Edler, wie das eines Kriegers aus vergangenen Zeiten. Keineswegs mehr kindlich.
Sie stand auf seiner Brust Wache und hielt ein Schwert aus Licht in den winzigen Händen.
Dieses Strahlen war so rein, so süß. Es schien das Glühen des Lebens zu sein. Wann immer ihm eines der Todessprengsel zu nahe kam, schoss sie darauf zu und schwang ihre strahlende Klinge.
Das Licht wehrte sie ab.
Aber es waren viele Todessprengsel. Immer wenn sein Blick wieder klar genug geworden war, waren es schon mehr geworden.
Ernste Halluzinationen, verursacht durch Kopfverletzungen. Patient muss unter Beobachtung bleiben. Alkoholgenuss verboten. Ruhe muss erzwungen werden. Lotborke verabreichen, damit Hirnschwellungen zurückgehen. Feuermoos kann in Extremfällen angewendet werden, der Patient darf aber nicht davon abhängig werden.
Wenn Medikamente nicht helfen, mag eine Schädeltrepanation nötig werden, um den Druck zu senken.
Oft tödlich.
Am Mittag betrat Teft die Baracke. Das Eintreten in die Schatten war wie das Hineinschlüpfen in eine Höhle. Er blickte nach links, wo für gewöhnlich die anderen Verwundeten schliefen. Im Augenblick waren sie aber alle draußen und genossen die Sonne. Allen fünf ging es gut, sogar Leyten.
Teft ging an den aufgerollten Laken am Rande des Raumes vorbei zum hinteren Teil, in dem Kaladin lag.
Armer Kerl, dachte Teft. Was ist wohl schlimmer: dem Tode nahe zu sein oder hier hinten ohne Licht zu liegen? Aber es war nötig. Brücke Vier spielte ein gefährliches Spiel. Es war ihnen erlaubt worden, Kaladin abzuschneiden, und bisher hatte ihnen niemand verboten, sich um ihn zu kümmern. Fast die gesamte Armee hatte gehört, wie Sadeas Kaladin dem Gericht des Sturmvaters übergeben hatte.
Gaz war gekommen, hatte sich Kaladin angesehen und in sich hineingekichert. Vermutlich hatte er seinen Vorgesetzten gesagt, dass Kaladin sterben würde. Mit solchen Wunden konnte kein Mensch lange überleben.
Aber Kaladin hielt durch. Vom Holzplatz her kamen ungewöhnlich oft Soldaten und warfen einen Blick in die Baracke. Es war unglaublich, dass er noch lebte. Die Leute im Lager redeten darüber. Er war dem Sturmvater übergeben und von ihm verschont worden. Ein Wunder. Das würde Sadeas nicht gefallen. Wie lange würde es dauern, bis eines der Hellaugen beschloss, seinen Hellherrn von diesem Problem zu erlösen? Sadeas konnte offiziell nichts unternehmen – nicht ohne seine Glaubwürdigkeit zu verlieren –, aber ein heimliches Vergiften oder Ersticken würde ihn aus seiner unangenehmen Lage befreien.
Also schirmte Brücke Vier Kaladin so weit wie möglich von neugierigen Blicken ab. Und es war immer jemand bei Kaladin. Immer.
Was für ein Sturmkerl, dachte Teft, als er neben dem fiebernden Kaladin niederkniete, der auf einem zerwühlten Laken lag. Er hatte die Augen geschlossen, sein Gesicht glänzte vor Schweiß, und der Körper war mit einer beängstigenden Menge von Verbänden umwickelt. Die meisten wiesen rote Flecken auf. Sie hatten nicht genug Geld, um die Verbände oft zu wechseln.
Narb hielt gerade Wache. Der kleine Mann mit dem kantigen Gesicht saß zu Kaladins Füßen.
»Wie geht es ihm?«, fragte Teft.
Narb antwortete leise: »Es scheint schlimmer zu werden, Teft. Ich habe gehört, wie er etwas von dunklen Gestalten gemurmelt hat. Er hat um sich geschlagen und ihnen befohlen, fortzugehen. Dann hat er die Augen geöffnet. Er hat mich nicht gesehen, aber irgendetwas hat er gesehen. Das schwöre ich.«
Todessprengsel, dachte Teft, und es lief ihm kalt den Rücken herunter. Kelek möge uns beschützen.
»Ich übernehme«, sagte Teft und setzte sich. »Hol dir was zu essen.«
Narb stand auf, er war blass. Es würde die Männer vernichten, wenn Kaladin zwar den Großsturm überlebt hatte, dann aber an den Wunden starb. Narb schlurfte mit gesenkten Schultern aus dem Raum.
Teft sah Kaladin lange an und versuchte seine
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