Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Vershan. Dort habt Ihr es versteckt, nicht wahr?«
»Gehen wir einmal davon aus, dass sich Eraëd tatsächlich in meinem Besitz befunden hätte – warum sollte sich die Republik dafür interessieren?«
»Dieses Schwert hat jahrelang der Familie des Kaisers gehört. Und in der Zeit davor den königlichen Familien der Cagliere, der Perthuis und der Majorane … Wenn Ihr es wünscht, gehe ich noch weiter in der Vergangenheit zurück.«
»Geschichtslektionen interessieren mich nicht besonders«, wehrte Dun ab.
»Das dachte ich mir.«
Verblüfft wandte er den Blick ab.
»Dieses Schwert steht für alles, was Eure Republik hasst«, erklärte er.
»Dieses Schwert soll über Wunderkräfte verfügen. Große Helden haben es benutzt, mit ihm wurden Drachen bekämpft. Es gehört zur Geschichte unserer Welt, ganz gleich, ob ihre Geschicke von einem Kaiserreich oder einer Republik bestimmt werden.«
Dun begann so laut zu lachen, dass die Gäste an den Nachbartischen aufmerksam wurden. Eine fette Frau, die auf den Knien eines uralten, vertrockneten Kaufmanns saß, wandte ihnen den Kopf zu, doch ein Blick des Nâaga genügte, um sie eines Besseren zu belehren.
»Helden?«, lachte Dun. »Drachen? Was für ein Blödsinn! Nichts ist einfacher, als ein Held zu sein oder einen Drachen zu töten. Wisst Ihr, was ein Drache ist? Seid Ihr schon einmal einem begegnet?«
Viola zögerte kurz, ehe sie den Kopf schüttelte. Der Spott des alten Soldaten missfiel ihr. Aber sie würde sich damit abfinden müssen. Man hatte sie gewarnt.
»Es sind nur Eidechsen«, fuhr Dun fort. »Große, dumme Eidechsen, ähnlich wie die, die Euer Beschützer verehrt.«
Er nickte Rogant zu.
»Lasst mich raten: Ihr und Euer Wilder werdet mich bitten, Euch in die Gebiete des Ostens zu begleiten, um Eraëd zu suchen. Welchen Gefahren würde uns die Reise aussetzen?«
Sein Tonfall schwankte zwischen Spott und Verachtung.
»Müssten wir gegen Monster kämpfen, von denen noch nie jemand gehört hat? Belagerte Schlösser befreien? Drachen töten? Hahaha. Ihr seid jung. Ihr erinnert mich an jemanden. Jemanden, der auch gern träumte, an große Dinge glaubte und sich ein Schicksal ausmalte, über das man eines Tages Bücher schreiben würde. Genauso ist übrigens Eure Republik. Euch gehört die Welt, Ihr habt vor nichts Angst, und Ihr stürmt mit gesenktem Kopf vorwärts. Aber im Grunde wisst Ihr nichts von der Welt, die Euch umgibt. Bis sich eines Tages ganz unerwartet die Wirklichkeit zeigt …«
Er biss die Zähne zusammen und klatschte in die Hände.
»Die Wirklichkeit, die Euch zerquetschen würde wie kleine, vorwitzige Insekten. Ihr glaubt an Legenden und erschöpft Euch damit, Eure eigene zu schreiben. Ihr glaubt, im Frühling Eures Lebens alles erreichen zu können, weil Ihr meint, die eine Wahrheit zu kennen. Soll ich Euch einmal eine Wahrheit verraten?«
Er bedeutete Viola, näher zu kommen, neigte sich zu ihr und flüsterte: »Nicht Ihr habt die Wahl. So wichtig seid Ihr nicht. Ihr seid überzeugt, dass Euer Schicksal Euch allein gehört und dass Ihr nur die schönsten Augenblicke ersinnen müsstet. Nun, ich muss Euch enttäuschen: Das Schicksal der Menschen war niemals etwas anderes als das Flüstern der Götter.«
Ohne den Blick von Viola zu wenden, richtete er sich auf und nickte.
»Nur ein Flüstern. Die Götter haben unser Schicksal bei der Erschaffung dieser Welt besiegelt. Aber Ihr mit Euren großen Ideen – Ihr habt es vergessen, nicht wahr? Ihr glaubt an nichts mehr. Tatsächlich wundert es mich, dass Ihr die Kirchen nicht in Schutt und Asche gelegt habt.«
»Wir achten den Fangol-Orden, ganz gleich, was Ihr denkt.«
»Ihr wisst doch nicht einmal mehr, was Achtung bedeutet«, höhnte Dun und schüttelte langsam den Kopf. »Das Buch habt Ihr völlig vergessen. Mehr noch: Ihr habt es verleugnet.«
»Jeder wählt selbst, ob er glauben will oder nicht. Wir leben in einer neuen Welt.«
»Die nicht meine ist«, nickte Dun, verzog das Gesicht und sah dabei den Nâaga an.
Viola zweifelte nicht mehr daran, dass er der Mann war, den sie suchte. Aber vielleicht musste sie ihre Strategie überdenken und eine Schwachstelle finden, damit er sich zu erkennen gab.
»Wer sagt das? Der einfache Soldat weit hinter den feindlichen Linien oder der Trunkenbold?«, fragte sie. »Oder sogar alle beide? Ich kann sie kaum unterscheiden. Sie ähneln sich in ihrer Feigheit so sehr.«
Das Gesicht des alten Mannes erstarrte.
»Ihr beleidigt mich«, murmelte
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