Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
er.
»Tatsächlich, Dun? Was weiß ich denn schon von Euch, außer, dass Ihr aus Emeris geflohen und das Schwert des Kaisers gestohlen habt?«
Dun war noch nicht betrunken genug, um ernsthaft wütend zu werden, aber auch nicht mehr klar genug, um die Folgen seines Handelns abzusehen. Er streckte die Hand zum Weinkrug aus. Das Gefäß bewegte sich über den Tisch, ohne dass er es berührte.
Viola saß stumm und mit weit aufgerissenen Augen da. Schließlich schob sie mit dem Zeigefinger ihre Brille ganz langsam ein Stück nach oben, als wollte sie sich vergewissern, auch wirklich klar zu sehen. Rogant verschränkte die Arme und erstarrte.
Der Odem . Nur die größten Ritter des Kaiserreichs waren in der Lage gewesen, den Odem einzusetzen, und seit dem Sturz des Kaisers beherrschten nur noch wenige der alten Recken das Phänomen. Die Gabe hatte sich verloren.
Das Stimmengewirr der Taverne drang nur noch wie ein fernes Echo an ihre Ohren. Von den Menschen blieben nichts als gespenstische Umrisse. Rogant und Viola konzentrierten sich einzig auf den Weinkrug. Er hatte sich tatsächlich bewegt. Erst jetzt wurde Dun bewusst, wie sehr ihm seine Demonstration geschadet hatte. Er, der in der Taverne nur von seinem Soldatenleben sprach, hatte soeben einer jungen Frau, die gerade erst die große Universität von Emeris verlassen hatte, seine wahre Identität enthüllt. Sie konnte das Kaiserreich kaum gekannt haben. Wie würde sie ihn jetzt beurteilen? Als Schlächter der alten Königreiche? Als Feind der Republik, der sie diente? Sie war mit einem Barbaren hergekommen, dem Abkömmling eines Volkes, das in seinem früheren Leben sein Feind gewesen war. Verfügte sie über das nötige Urteilsvermögen?
»Ihr seid kein einfacher Soldat«, stammelte Viola. »Ihr seid ein Ritter.«
»Pah!«, machte Dun und verdrehte die Augen. »Die Ritterschaft ist zusammen mit dem Kaiserreich ausgestorben.«
Dun. In Gedanken wiederholte sie den Namen und versuchte, sich ihrer Geschichtsvorlesungen zu erinnern. Dun. Der Name war ihr geläufig.
»Dun-Cadal«, hauchte sie plötzlich.
Die Augen des alten Mannes leuchteten kurz auf.
»Ihr seid Dun-Cadal. General Dun-Cadal aus dem Hause Daermon«, fuhr Viola fort. »Dun-Cadal, der General, der den Kampf um die Salinen angeführt hat.«
»Und? War ich etwa weit entfernt von den feindlichen Linien wie ein Feigling?«, unterbrach er sie.
Viola wusste nicht, was sie sagen sollte. Der Kampf um die Salinen war nicht nur wegen seiner historischen Folgen in die Geschichte eingegangen, sondern auch wegen seiner furchtbaren Gewalt. Nur wenige Soldaten waren dem Gemetzel entkommen. Dun-Cadal selbst war monatelang im Feindesland umhergeirrt, ehe er allein die Linien durchbrach und nach Emeris zurückkehrte. Er hatte viele große Taten vollbracht, doch diese Schlacht hatte sich vor allem anderen in das Gedächtnis der Menschheit eingebrannt.
»Das Schwert befindet sich in den Gebieten des Ostens. Holt es und hört auf, mich zu belästigen. Holt Euch das, was vom Kaiserreich übrig geblieben ist, und stellt es zur Schau.«
»Dann gebt Ihr also zu, Euch damit gegürtet zu haben?«
Dun wirkte plötzlich abwesend. Sein Blick schweifte ins Leere, seine Lider wurden schwer.
»Ich gebe alles Mögliche zu, wenn ich getrunken habe«, schimpfte er. »Beträufelt seine Klinge nur mit Eurer Galle. Sie wird matt wirken im Vergleich zu Eurer Arroganz«, fuhr er leise und wie zu sich selbst fort.
Er wusste nicht, wie er mit ihr, dem Nâaga und dem, was er einst gewesen war, umgehen sollte. Hier war er lediglich Dun, und das genügte.
Viola beobachtete ihn aufmerksam. Sie prägte sich jedes Detail seines von der Zeit zerfurchten Gesichts ein, jede Falte, die sich durch seine Wangen zog. Er, der ruhmreiche General, verbarg sich in den Elendsvierteln Masalias. Er war nicht mit der Hoffnung eines Neuanfangs gekommen, sondern um hier den Tod zu suchen. Sie bemerkte, dass er mit dem Rücken zur Tür saß. Jeder hätte ihn überraschen können. Indem er Abend für Abend den Leuten weismachte, ein einfacher Soldat des Kaiserreichs gewesen zu sein, hoffte er vielleicht, dass sich jemand rächen und seinem Elend ein Ende machen würde.
»Ihr wartet hier auf den Tod«, stellte Viola fest.
»Ich erwarte nichts, was man mir nicht geben könnte. Wie wäre es zum Beispiel mit einem frischen Krug?«
Mit traurigem Lächeln drehte er das leere Gefäß auf dem Tisch um. Seine Hand zitterte. Dann schnitt er dem Riesen zu seiner
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