Der Piratenfuerst
vordersten Geschützes übertönt, dem sofort die anderen auf ganzer Länge folgten, während die Argus wie eine schwarze Wand über ihnen aufragte.
»Putzen! Laden! Ausrennen!«
Das Ausrennen ging jetzt leicht, weil die Undine so stark krängte, daß jeder Lauf fast von selbst durch die Pforte stieß, quietschend wie ein wütender Keiler.
»Erst auf Befehl!« rief Bolitho durch die hohlen Hände den Kanonieren im Vorschiff zu. Mehrere Tote lagen dort; vermutlich hatten Le Chaumareys' Scharfschützen erraten, was er vorhatte.
Eine Musketenkugel schlug gellend gegen einen Sechspfünder, und einer der Rudergänger stürzte gurgelnd und um sich schlagend vornüber – der Querschläger hatte ihm den Unterkiefer weggerissen.
Bolitho überschrie den Gefechtslärm: »Einen Strich abfallen, Mr. Mudge! Sie wissen, was ich heute von Ihnen erwarte!« Schatten tanzten übers Deck, als Stücke der Takelage, eine Muskete und allerlei Splitter oben in den aufgespannten Netzen wippten.
Und da war auch die Argus, die schwer nach Steuerbord stampfte in dem Versuch, die Bewegung der Undine abzufangen – aber vergeblich: die britische Fregatte kreuzte unbehelligt ihr Heck.
»Feuer!«
Die erste Kanonade krachte, riß Stücke aus dem Heck der Argus und schlug die kleine Achterdecksgalerie in Trümmer. Einer nach dem anderen folgten die Zwölfpfünder dem Beispiel der kleineren Kaliber; die Kugeln krachten ins Achterschiff oder flogen durch die offenen Fenster und trugen Tod und Verderben ins Schiffsinnere.
Die Männer der Undine brüllten Hurra, obwohl die Deckoffiziere schimpfend dazwischenschlugen; über der mächtigen Rauchwand sah Bolitho die Masten der französischen Fregatte langsam achtern weggleiten. Jetzt durfte er nicht straucheln.
»Wir wenden und gehen auf Backbordbug!«
»Aye, Sir.« Herrick wischte sich das schweißüberströmte Gesicht. Über den Pulverflecken auf Wangen und Mund leuchtete der Verband im rauchigen Sonnenlicht wie ein weißer Turban. »Heiße Arbeit heute, Sir!«
»An die Brassen! Klar zur Wende!«
Ein schreiender, blutüberströmter Matrose wurde von seinem Geschütz weggeschleift. Als Whitmarshs Leute ihn hochhoben, wand er sich und wollte sie wegstoßen – er hatte wohl mehr Angst vor dem, was ihn unten erwartete, als vor dem Tod an Deck.
Mit knatternden Segeln, durch deren zahllose Schußlöcher der Wind pfiff, ging die Undine auf den anderen Bug, wandte sich von den Inseln ab und der Sonne zu.
Der Seegang schien jetzt vi el stärker; Gischt zersprühte im Wind und flog fast pausenlos als Sprühwasser über das Deck. Bolitho rieb sich die Augen und versuchte, den Hustenreiz zu unterdrücken. Wie seine Augen waren auch seine Lungen wund vom Pulverrauch und Gestank der Schlacht. Unablässig beobachtete er das feindliche Schiff, das über dem Gischt zu schweben schien. Ob beabsichtigt oder nicht, Le Chaumareys hatte nun jedenfalls den Windvorteil, und sein Schiff stand jetzt ungefähr eine Kabellänge an Steuerbord voraus. Wenn die Undine ihr Überholmanöver fortsetzte, würden beide Schiffe parallel laufen, nur auf Musketenschußweite voneinander entfernt. Auf so mörderisch kurze Entfernung konnte die Argus Vergeltung üben.
Er warf einen raschen Blick auf Mudge. Auch der beobachtete See und Masttopp – aber aus dem gleichen Grund?
Doch wenn er ihn jetzt fragte und damit verriet, daß er auf ein Wunder angewiesen war, dann würde das seinen Männern genauso den Kampfgeist nehmen, als wären sie entscheidend geschlagen worden. Sie kauerten bei ihren Geschützen, keuchend und nach Luft schnappend, Rammen, Handspeichen, Ausputzer, Taljen in den teerigen Fäusten. Ihre nackten Oberkörper waren vom fettigen Pulverstaub verschmiert, durch den der Schweiß in dünnen Streifen, Peitschenstriemen gleich, hinabfloß. In den geschwärzten Gesichtern glühten die Augen wie die gefangener Tiere.
Die Marineinfanteristen luden ihre Musketen nach, und Bellairs schritt mit seinem Sergeanten an der Heckreling entlang. Am Ruder hatte ein anderer den Platz des Toten eingenommen, und Carwithens brutaler Kiefer mit den kalten, ausdruckslosen Augen darüber bearbeitete einen Priem. Das Geschützdeck war jetzt dünn bemannt.
Das Schiff krängte stärker, er mußte sich festhalten. Über die zerfetzten Netze blickte er aufs Meer, dessen Wellen jetzt höher und steiler anrollten, als wollten sie die beiden Schiffe auseinandertreiben.
»Mr. Davy!« rief er. »Fertig?«
Davy nickte stumpf. »Alle
Weitere Kostenlose Bücher