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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Signallampen aufflammten, bis zu dem Augenblick, in dem die roten Kontrollämpchen erloschen, waren sechshundertdreiundvierzig Stunden ununterbrochener Arbeit vergangen, hatte das Elektronenhirn fünf Millionen Berechnungen in der Sekunde durchgeführt, ohne auch nur ein einziges Mal auszusetzen, während die diensthabenden Wissenschaftler sechsmal täglich wechselten.
    Das Riesenmaß der geleisteten Arbeit wiederzugeben ist unmöglich. Es genügt zu erwähnen, daß die Sprache des Rapports weniger an gesprochene Laute als vielmehr an eine ungewöhnliche Musik erinnerte; denn das, was irdischen Worten entsprach, war dort durch verschiedene Töne ausgedrückt. Einige Male erwies sich sogar das riesige Fassungsvermögen des Elektronenhirns zur Durchführung aller erforderlichen Berechnungen als unzureichend. In solchen Fällen schalteten Sicherungen unterirdische Kabel ein, die das Zentralhirn mit anderen Elektronenhirnen im Gebiete Leningrads verbanden.
    Endlich kam der Augenblick, in dem auf den Leuchtschirmen die Ergebnisse auftauchten. Hohe Summtöne alarmierten die Zentrale; aber die diensthabenden Wissenschaftler waren ohnedies von ihren Pulten aufgesprungen, als sie die erste, menschlichen Begriffsvermögen faßbare Entzifferung des Rapports vor Augen sahen. Der erste „Satz“, der auf den Leuchtschirmen erschien, lautete: Silizium, Sauerstoff, Aluminium, Sauerstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Sauerstoff –.
    Das bedeutete also sinngemäß: Erde.
    Bei der viermaligen Wiederholung war der Begriff Sauerstoff durch eine wechselnde Anzahl von Schwingungen wiedergegeben. Die Wissenschaftler folgerten daraus, daß es an dieser Stelle um die physikalischen Eigenarten der Erde ging. Silizium- und Aluminiumoxyde sind die Hauptbestandteile der Erdrinde, Sauerstoff und Stickstoff bilden die Lufthülle, Wasserstoff und Sauerstoff die Ozeane. Dieser scheinbar einfache Satz bedeutete aber noch erheblich mehr. Erstens enthielten Begriffe wie Silizium, Aluminium und Sauerstoff bestimmte Zeichen, die, in Verbindung mit einer Formel, Materie schlechthin bezeichnen mußten. Zweitens war dieser ganze, aus acht Ausdrücken bestehende Satz einer bestimmten höheren Funktion untergeordnet, die der einer gekrümmten Oberfläche entsprach. Es handelte sich um die Formel der Kugelfläche, also um die Erdrinde.
    Von nun an ging die Entzifferung des Rapports leichter vor sich, obwohl es nicht an Stellen fehlte, die erbitterte Diskussionen auslösten. Im Verlaufe der weiteren Arbeiten trat das Gesamtbild der Erde und des Weltalls immer klarer zutage, zum erstenmal in der Geschichte von Wesen gesehen, die keine Menschen waren. Der Rapport bestand aus mehreren Teilen. Der erste enthielt die physikalische Beschreibung der Erdkugel, des Reliefs der Landmassen, der Gestaltung von Kontinenten und Ozeanen sowie der chemischen Zusammensetzung der Erdrinde. Hier ergaben sich noch keinerlei Schwierigkeiten. Die erste Differenz unter den Übersetzern entstand, als sie zu einer Stelle kamen, wo der Rapport über die irdischen Städte berichtete. Den unbekannten Wesen war es trotz der großen Geschwindigkeit und Höhe des Fluges gelungen, die sinnvolle Bewirtschaftung unseres Planeten, die Fabriken, Häuser, Straßen, ja sogar die Menschen auf den Feldern und Straßen zu beobachten. Eines aber war äußerst rätselhaft: Warum wurden in der Schilderung der wahrgenommenen Erscheinungsformen gerade die Menschen als das Unwesentlichste behandelt? Man schien ihnen die Rolle von Erbauern und Konstrukteuren der irdischen Zivilisation nicht zuzuschreiben. Der Rapport bezeichnete die Menschen als „lange Tropfen“ und hielt sie für Teilchen irgendeiner größeren gleichförmigen Masse, einer „dehnbaren weichen Substanz“, von der sie sich nur zeitweilig in Gestalt jener „Tropfen“ losgelöst hätten. Diese Masse mußte den Verfassern des Rapports etwas Bekanntes sein; denn sie sprachen die Annahme aus, daß die Menschen aus einer ähnlichen Substanz bestünden wie … hier folgte ein unübertragbarer Begriff, der in keiner der irdischen Sprachen vorkommt.
    Im nächsten Teil des Rapports wurden Städte, Wohnhäuser und verschiedene andere Einrichtungen, wie zum Beispiel das Eisenbahnnetz, Bahnhöfe, Hafenanlagen, so exakt beschrieben, daß die Lesenden große Bewunderung für die Präzision der Beobachtungsinstrumente empfanden, deren sich die Insassen des Weltraumschiffes bedient haben mußten. Auch hier lag der Beschreibung die gleiche,

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