Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)
nicht, dass wir nichts tun könnten, um die Folgen dessen abzufedern, was gewissenlose Banker durch wettbewerbswidrige Praktiken und Ausbeutung der Armen anrichten. Wir können und sollten Banken regulieren, ausbeuterische Kreditvergabe verbieten, die Banken für ihre betrügerischen Produkte zur Rechenschaft ziehen und sie für den Missbrauch von Monopolmacht bestrafen. Mit stärkeren Gewerkschaften und besseren Bildungschancen ließe sich auch der Begünstigung Hochqualifizierter durch den technischen Wandel etwas entgegensetzen. Außerdem muss sich der technische Fortschritt nicht zwangsläufig so entwickeln: Wenn man Unternehmen dazu zwingen würde, für die ökologischen Folgen ihrer Produktion finanziell einzustehen, würde sie dies vielleicht dazu ermuntern, von technischen Neuerungen, die Hochqualifizierte begünstigen, auf technische Innovationen umzustellen, die Ressourcen schonen. Niedrige Zinsen mögen Unternehmen dazu ermuntern, in der Produktion auf Roboter umzustellen, die leicht zu automatisierende Arbeitsplätze Geringqualifizierter ersetzen; mit alternativen makroökonomischen und Investitionsstrategien ließe sich das Tempo drosseln, mit dem Facharbeiter aus unserer Volkswirtschaft verdrängt werden. Und selbst wenn die Ökonomen sich nicht darüber einig sind, wie die Rolle der Globalisierung bei der Zunahme der Ungleichheit genau zu veranschlagen ist, benachteiligen die Asymmetrien der Globalisierung Arbeitnehmer besonders stark, und dies können wir besser steuern, und zwar so, dass das Maß an Ungleichheit womöglich verringert wird.
Deutlich wurde ebenfalls, dass das Wachstum des Finanzsektors gemessen am US-Volkseinkommen (manchmal als »Finanzialisierung«
der Wirtschaft bezeichnet) die Ungleichheit verschärft hat – sowohl, was die Vermögen an der Spitze als auch die Armut am Fuß der Einkommenspyramide betrifft. Jamie Galbraith hat gezeigt, dass dort, wo der Finanzsektor groß ist, auch Ungleichheit herrscht, und dieser Zusammenhang ist kein Zufall. 81 Wir sahen, wie Deregulierung sowie versteckte und offene staatliche Subventionen die Wirtschaft verzerren und nicht nur einen größeren Finanzsektor hervorbrachten, sondern auch dessen Fähigkeit steigerten, Geld von unten nach oben umzuverteilen. Wir brauchen den Prozentsatz der Ungleichheit, der der erhöhten Finanzialisierung der Wirtschaft zuzuschreiben ist, nicht genau zu kennen, um einzusehen, dass sich politisch etwas ändern muss. Gegen jeden Faktor, der zur Ungleichheit beiträgt, muss etwas unternommen werden, wobei besonderer Nachdruck auf jene gelegt werden sollte, die gleichzeitig direkt unsere Wirtschaft schwächen, etwa durch das Fortbestehen von Monopolmacht und eine wettbewerbsverzerrende Wirtschaftspolitik. Ungleichheit ist mittlerweile fest in unserem Wirtschaftssystem verankert; es bedarf einer umfassenden Agenda – die ausführlich in Kapitel 10 beschrieben wird –, um sie wieder auszumerzen.
Alternative Ungleichheitsmodelle
Dieses Kapitel drehte sich um unterschiedliche Theorien zum Thema Ungleichheit; in manchen scheint die Ungleichheit stärker »gerechtfertigt«, das Einkommen der Reichen »verdienter« und der Preis für die Begrenzung der Ungleichheit und eine Umverteilung höher zu sein als in anderen. Das »leistungsbasierte« Modell der Einkommensbestimmung konzentriert sich auf die Arbeitsanstrengungen jedes Einzelnen; und wenn Ungleichheit weitgehend das Ergebnis von Leistungsunterschieden wäre, dann könnte man kaum etwas dagegen einwenden, und es erschiene ungerecht und ineffizient, Leistung nicht zu belohnen. Die typisch amerikanischen Aufstiegsgeschichten, von denen in Kapitel 1 die Rede war, gehören zu dieser Tradition: In den über hundert Geschichten vom Tellerwäscher, der zum Millionär wurde, hat sich der Held durch eigene Anstrengung aus der Armut befreit. Daran mag ein Körnchen Wahrheit sein, aber es ist nur ein Körnchen. Denn in Kapitel 1 wurde deutlich, dass der Erfolg eines Menschen hauptsächlich durch
seine Ausgangsbedingungen determiniert wird, durch das Einkommen und das Bildungsniveau seiner Eltern. Auch Glück spielt eine wichtige Rolle.
Die zentrale These dieses Kapitels und des vorangehenden lautet, dass Ungleichheit außerdem kein Naturgesetz, nicht abstrakten Marktkräften geschuldet ist. Anders als die Lichtgeschwindigkeit, auf die wir keinen Einfluss haben, geht die Ungleichheit in sehr hohem Maße auf politische Entscheidungen zurück, welche die technische
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