Der Prinz der Hölle
Haltung kam sie aus dem Wald und näherte sich ohne Zaudern dem Lager der Bewaffneten. Ihr Blick wirkte weder herausfordernd noch abweisend, sondern gleichmütig. Sie hatte scharfe Augen – gelbe Augen, wie die einer Katze oder eines anderen Raubtiers; Sie verrieten keinerlei Gefühlsregung, sie beobachteten lediglich, und es schien ihnen nichts zu entgehen.
Als ihr Blick auf Omeron verharrte, durchzog ihn Eiseskälte, derer er nicht Herr wurde, doch sie verging schnell, und es blieb nur das Bild einer bezaubernd schönen jungen Frau mit seltsamen Augen, die in das Lager kam.
Omeron ging ihr entgegen. Als hätte er es ihnen befohlen, bildeten seine Männer wortlos eine lange Gasse, durch die er und die Frau aufeinander zuschritten.
Als die Frau stehen blieb, tat Omeron das gleiche.
Schweigen herrschte, während aller Blicke angespannt auf ihr ruhten und sie Omeron eindringlich anschaute.
Da verfing der Wind sich im langen schwarzen Haar der Frau, und es fächerte aus wie die Schwingen eines Vogels. Hochgewachsen; schlank und von dunkler Haut war sie, und sie bewegte sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit – oder war es eher wie eine Schlange? Sie trug einen einfachen weißen Leinenkittel, an der Schulter mit Broschen und um die Taille mit einem dünnen Goldgürtel zusammengehalten, und Schuhe, die aus Echsenleder zu sein schienen. Ein einfacher Reif schmückte den Mittelfinger ihrer Rechten, und von einem Kettchen um ihren Hals baumelte ein unauffälliger Anhänger.
Es wäre lächerlich anzunehmen, dachte Omeron, dass die Frau in dieser leichten Kleidung weit aus den Bergen gekommen sei. War sie etwa gar ein Flüchtling aus Thesrad?
Aber er kannte die Bürger von Thesrad, selbst die einfachsten, die niedrigsten, und die Frau gehörte nicht zu ihnen.
»Ihr seid der Befehlshaber dieses Lagers?« Sie blickte Omeron fest an. Ihre Stimme klang streng. Sie war so ruhig und kühl wie ihre Haltung, ihre Schönheit und die Augen.
Unwillkürlich räusperte er sich, ehe er antwortete: »Ja, ich bin Fürst Omeron von Thesrad. Und wer seid Ihr?«
»Ich heiße Ilura. Euretwegen bin ich hier hergekommen, Fürst Omeron. Ich bedauere, dass ich Euch unter diesen Umständen kennen lernen muss.«
»Unter diesen Umständen?«
Ihre Gebärde schloss das ganze Lager ein. »Ihr wurdet aus Eurer Stadt vertrieben, nicht wahr? Durch den Hexer Du-jum?«
Die Kälte breitete sich wie ein Eisklumpen in Omerons Bauch aus. Er hörte, wie seine Männer nervös mit den Füßen scharrten. »Woher wisst Ihr das, Ilura?«
»Hört mir zu, Omeron.« Sie blinzelte ganz leicht. »Ich bin eine Dienerin der Schlangengöttin Sithra, deren Tempel sehr weit von hier liegt. Meine Herrin schickte mich aus, Du-jum zu suchen.«
»Warum?« erkundigte sich Omeron misstrauisch.
»Weil es an der Zeit ist«, antwortete Ilura dunkel. »Vor langem stahl er einen heiligen Gegenstand aus unserem Tempel, den ich zurückbringen werde.«
»Was ist das für ein Gegenstand? Eine Zauberwaffe? Ich frage, weil ich spüre, dass Ihr des Zaubers mächtig seid.«
»Es ist der Stab von Ixcatl«, antwortete Ilura ruhig. »Das Schlangenzepter, durch das sich Du-jum zusätzliche Kräfte erhoffte.«
Wieder herrschte einen langen Moment Stille. Dann fragte Omeron: »Ihr habt vor, Du-jum zu stellen? Er ist ein mächtiger Hexer, Priesterin. Seid Ihr allein gekommen, den ganzen weiten Weg von…«
»Aus dem Süden, und weit mehr Meilen, als Ihr glaubt, Lord Omeron. Doch bin ich aus dem Tempel Sithras, also zweifelt nicht an meinen Fähigkeiten. Ich habe den Weg allein zurückgelegt und bin auf das, was ich tun muss, vorbereitet. Ich verfüge über ungewöhnliche Kräfte, aber habt keine Angst vor mir, denn wenn Ihr es gestattet, werde ich Euch und Euren Männern helfen. Wollt Ihr jedoch nichts von mir wissen und verjagt mich, ist es Euer eigener Schaden, denn gegen Euren Willen kann ich Euch nicht unterstützen.«
Omeron blickte sie lange nachdenklich an. War diese Frau nicht zurechnungsfähig, oder war sie wahrhaftig das, was sie zu sein behauptete?
Sadhur kam herbei, um etwas zu dem Fürsten zu sagen, aber Omeron bedeutete ihm zu schweigen und wandte sich wieder der Frau zu.
»Wir haben gegen Zauberei gekämpft, Ilura, und wurden besiegt. Vorläufig, zumindest. Meine Männer sind verunsichert.«
»Was kein Wunder ist. Werdet Ihr mich trotzdem bei Euch aufnehmen, Lord Omeron? Bitte, seid nicht so töricht, mich fortzujagen. Ich führe nichts Böses gegen Euch im
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