Tod im Heu: Liebesroman (German Edition)
Kapitel
Stefan Osterkorn steht hinter der Rezeption seiner kleinen Familienpension. Er ist ein schlanker Mann, Anfang fünfzig. Das Haar trägt er sehr kurz. Die freie Stirn ist von einer tiefen Sorgenfalte durchzogen. Nun blättert er im Reservierungsbuch.
Mit de r Auslastung der Pension kann ich ganz zufrieden sein, denkt er. Da macht mir der Rest des Hofes schon mehr Sorgen. Besonders die Landwirtschaft.
Osterkorn stößt einen tiefen Seufzer aus. Seine Tochter Sarah will er damit nicht belasten. Sie ist ein liebes und blitzsauberes Mädel. Jedes Mal, wenn er sie sieht, geht ihm das Herz auf. Das freundliche und natürliche Wesen hat sie wohl von ihrer Mutter geerbt, die vor einigen Jahren verstorben ist.
Das ist schon so lange her, dass Osterkorn den unmittelbaren Schmerz überwunden hat. Aber er weiß , es fehlt eine Frau im Haus. Er braucht sich nur die Fassade der Pension anzusehen. Die glänzt zwar in tadellosem Weiß. Aber eine Frau hätte längst auch für ein paar hübsche Blumen auf den Balkonen gesorgt.
Dafür habe ich leider kein Händchen, denkt Osterkorn und seufzt wieder tief. Ob ich ohne Sarah den Hof noch halten würde? Osterkorn schüttelt den Kopf. Sarah ist das einzig Wichtige in meinem Leben. Sie hängt an der Pension und ein Verkauf kommt nicht infrage. Auch wenn ich das Geld dringend brauchen könnte.
Er schaut nach oben und seine Augen beginnen zu leuchten. Sarah hüpft g erade übermütig die Treppe herunter. Heute hat sie sich für eine einfache weiße Bluse entschieden. Darüber trägt sie eine kurze Trachtenweste und schließlich enge blaue Jeans. Das lange braune Haar fällt offen zu den schmalen Schultern herab und im Gesicht zeigt sie ein herrliches Lächeln.
„Vater, schmollst Du schon wieder?“, fragt Sarah mit gespielter Traurigkeit. „Du musst ja nicht den ganzen Tag hier stehen. In einer Stunde kommt der Antonio und löst Dich ab. Und heute Abend stehe ich wieder hier.“
„Ich schmolle ganz bestimmt nicht“, zwinkert Osterkorn ihr zu. „Ich freue mich doch, wenn Du mal herauskommst an die frische Luft. Aber Dein Begleiter ist schon ganz unruhig.“ Er weist nach draußen. „Der Oliver geht schon seit Stunden im Hof auf und ab.“
„Vater, Du flunkerst“, lacht Sarah. „ Höchstens seit zwanzig Minuten.“ Damit dreht sie sich lachend um und geht zur Tür. „Also Vater, lass Dir die Zeit nicht lang werden. In zwei Stunden sind wir wieder da“, ruft sie fröhlich. Dann geht sie hinaus.
Osterkorn sieht ihr lange nach. Sie ist wirklich ein hübsches Mädel, denkt er. Kein Wunder, dass die Buben ihr nachlaufen. Der Oliver würde ihm schon g efallen als Schwiegersohn. Ein ernster junger Mann, der als Forstbeamter sicher seinen Weg machen wird. Er ist noch auf Wohnungssuche und deshalb vorübergehend Gast in der Pension. In dieser Zeit hat Osterkorn ihn schätzen gelernt. Aber Sarah hat eben auch noch ein Wort mitzureden. Sie hat sich längst für den Reitmaier-Christian entschieden. Dessen Vater betreibt sehr erfolgreich eine große Landwirtschaft im Nachbarort. Darauf hat Sarah natürlich nicht geschaut. Sie hat den Christian wegen seines selbstsicheren Auftretens liebgewonnen. Osterkorn hat zwar das Gefühl, dass der Christian eher ein geborener Schauspieler als ein gestandenes Mannsbild ist. Aber er hütet sich, mit Sarah darüber zu reden. Er seufzt wieder. Sie wird ihre eigenen Erfahrungen sammeln, was Wahrheit ist im Charakter eines Menschen und was nicht.
Kapitel
Oliver hebt sachte den Arm. „Jetzt musst Du ganz leise sein, Sarah. Dann kannst Du ihn sehen“, flüstert er.
Sarah nähert sich vorsichtig und schaut ihm über die Schulter. Ja, tatsäc hlich. Dort vorn sitzt ein Eichelhäher. Etwa zwei Meter hoch in der Sommereiche und schaut sich immer wieder um. Als ob er spüren würde, dass er beobachtet wird. Dann dreht er den Kopf zur Seite, nimmt eine Eichel in den Schnabel und im nächsten Moment hat er sie aus ihrem Fruchtbecher herausgedreht. Dann breitet er seine Flügel aus und lässt sich sanft zu einem Baumstumpf gleiten.
„ Jetzt ist Essenszeit“, sagt Oliver leise.
Und tatsächlich hackt der Eichelhäher mit dem Schnabel immer wieder auf der Eichel herum und hat sie in wenigen Sekunden restlos verzehrt. Dann e rhebt er sich in die Luft und ist bald aus ihrem Blickfeld verschwunden.
„Also Oliver, Du bist einmalig“, freut sich Sarah. „Bestimmt schon tausend Mal bin ic h hier an dieser Stelle entlanggegangen. Aber nie,
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