Der Prinz von Astrilandis
liegt viel an unserer kleinen Welt und ich will sie vor allem für Dich und mich erhalten.“ Laonira hatte ihrer Tochter bisher verschwiegen, dass sie einen Zwillingsbruder auf Astrilandis hatte. Ihr Schmerz und Ihre Erinnerung gehörten ihr allein, sie hätte es nicht ertragen, Fragen nach Hero gestellt zu bekommen, Fragen, auf die sie keine Antwort geben konnte.
Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie die Hoffnung, Ihren Sohn eines Tages wiederzusehen. Nur diese Hoffnung hielt sie am Leben und gab ihr die Kraft, ihr Volk zu regieren und ihre Tochter zu erziehen. Myadne sah ihre Mutter entmutigt an. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, weiter zu fragen, denn Laonira hat den Schleier fest um ihren Kopf gezogen. Das machte sie immer, wenn sie in Ruhe gelassen werden wollte. Myadne wollte gerade wieder gehen, als Laonira ihr die Hand auf die Schulter legte: „Myadne, bringe mir die schwarzen Perlen, die wir für Deine Haare gesammelt haben, wir werden sie einflechten, damit die Untertanen sehen, wie reich wir noch sind.“
Diese schwarzen Perlen waren die größten, die jemals heraufgetaucht worden waren und sie waren so schwer und kostbar, dass sie nur mit Hilfe von Goldfäden in die Haare eingeflochten werden konnten. Auf diese Kunst verstand sich nur Laonira und sie wollte ihre Tochter und dem Volk damit zeigen, dass nicht alle Schätze von Miatris verloren waren. Nachdem Myadne gegangen war, verließ auch Laonira die Plattform und stieg hinunter in den Palast.
Die in den Lavastein gehauenen Treppen führten in großen Bögen steil bergab bis zum türkisblauen See, der inmitten von Palmen und blühenden Gärten im Kratergrund lag. Subsidonos war eine weitläufige Palastanlage, die in halbrunden Terrassen angelegt war. Begrünte Bogengänge verbanden sie miteinander und spendeten Schatten. Diese Terrassen beherbergten kleine Steinhäuser, in denen die Bediensteten wohnten sowie Gärten und Garküchen, Brotbackstuben und kleine Handwerkshütten, die den Palast und seine Bewohner mit allem versorgten, was für das tägliche Leben nötig war. Die ganze Anlage befand sich uneinsehbar im ehemaligen Krater des Subos, wie er von den Untertanen genannt wurde.
In grauer Vorzeit war der Vulkan bereits erloschen und viele Generationen von Herrschern hatten von hier aus uneinnehmbar regiert. Der Krater konnte nur von oben her betreten werden und jeder Feind, der an den Küsten Miatris anlegte, war schon von weitem zu sehen und gelangte erst gar nicht den steilen Berg über rohes Vulkangestein hinauf bis zum Palasteingang. Dieser lag verborgen hinter hohen Felsbrocken, die der Vulkan einst ausgespien hatte und nur ein Pfad, der gerade von einem Eselskarren befahren werden konnte, führte zu einer schweren Eisentüre, die von Palastwachen besetzt war. Für eine Streitmacht, wie die von Astrilandis, wäre jedoch die Einnahme von Miatris ein Kinderspiel gewesen.
Die vielen umliegenden bewohnten Inseln, die alle wesentlich kleiner waren als Miatris, versorgten den Palast mit Früchten, Getreide und Gemüse. Nur auf einer Insel gab es Schafe und Ziegen, hier lebten ein paar Schlächter mit ihren Familien, die auf Geheiß der Herrscherin, Tiere mit Booten anlieferten, wenn im Palast Fleisch auf die Tafel kommen sollte. Denn die meisten Bewohner von Miatris waren Fischer und lebten von dem was das Meer her gab, Fleisch stand nur sehr selten auf ihrem Speiseplan.
Laonira nahm wie jeden Tag ein Bad im Kratersee und schwamm in die Mitte bis zu einem Tempel, der der Göttin Sanivala geweiht war. Auf einer kleinen Insel stand das Heiligtum der Göttin. Ein runder, von Säulen getragener Pavillon beherbergte einen mit Perlmutter beschlagenen Altar, in dessen Innerem der unantastbare Schatz von Miatris lag. Der Altar schillerte in allen Farben in der Morgensonne. Niemand, außer der Herrscherin durfte diese kleine Insel betreten und selbst Laonira tat es mit großer Ehrfurcht, denn die Göttin Sanivala war eine rachsüchtige Meer- und Schicksalsgöttin. Es war ihre Insel und sie war es, die das Schicksal von Miatris bestimmte. Laonira lag in ihrem nassen Gewand auf den kühlen Steinen und bat die Göttin, ihr doch bald ihren Sohn zurückzugeben. Sie versprach dafür ein Tieropfer und den Ertrag des nächsten Perlentauchgangs für die Altarschatulle. Nachdem die letzten Sonnenstrahlen ihr Gewand fast getrocknet hatten, stieg sie in die Holzbarke, die an der Insel verankert war und ruderte zurück an das Ufer des Palastes. Als sie
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