Der Prinz von Astrilandis
anlegte, kam einer ihrer Beauftragten, der die Verladung der Schiffe beaufsichtigt hatte und erklärte, dass nun alle Schätze an Bord waren.
Die Abfahrt der Schiffe sollte nachts erfolgen, damit sie unbemerkt nach Astrilandis gelangen konnten. Das Meer war ein unsicherer Ort. Piraten und andere habgierige Seefahrer machten gerne Beute, indem sie fremde Schiffe überfielen und in ihre Gewalt brachten. Sie wohnten in den vielen kleinen unübersichtlichen Felsbuchten und verfügten über wendige Segler, die nur darauf warteten, bis eines der Schiffe an ihnen vorbei fuhr. Immer wieder war ihnen der ganze Ertrag eines Perlentauchgangs in die Hände gefallen. Laonira hatte bisher vergeblich versucht, diese Räuber zu fassen, aber sie waren so schnell und gerissen, dass es ihren Männern noch nicht gelungen war. Es gab nicht nur Piraten, die an den kleinen Inseln lauerten, auch die Unnitter, hätten die Schiffe angegriffen und gekapert, wenn sie geahnt hätten, welche Fracht sie trugen, obwohl sie Verbündete von Astrilandis waren.
Nach dem erfrischenden Bad ging Laonira zurück in ihre Gemächer, wo schon Myadne mit einem Kästchen auf sie wartete. Sie saß auf Laoniras weißem Elfenbeinthron, die nackten Füße verschränkt ihr zartgelbes Gewand bis über die Knie hochgeschoben, so dass es sie wie eine Wolke umgab. Die schwarzen Perlen waren fast kirschgroß und Laonira musste ihre ganze Kunst aufwenden, sie in die langen blonden Locken Myadnes einzuflechten. Zuerst befestigte sie das Oberhaar mit goldenen Spangen auf dem Hinterkopf und dann begann sie in die untersten Locken die größten Perlen einzuflechten. Myadne stöhnte, als ihre Mutter wieder neue Strähnen abteilte und der Haarschmuck immer schwerer wurde. Laonira hatte die Perlen so eingewoben, dass sie wie ein Netz den Hinterkopf überspannen. Die größten davon waren in den unteren Locken eingeknüpft. Ein kleines Diadem mit Edelsteinen setzte Laonira als Krone oben auf das Kunstwerk. Myadne hielt still, obwohl sie für solche Prozeduren nur wenig Geduld hatte und als Laonira endlich fertig war, sagte sie zu ihrer Mutter: „Wenn mein Kopf jetzt auch doppelt so schwer ist, werde ich unseren Untertanen zeigen, wie aufrecht ich gehen kann, damit sie sehen, wie reich wir noch sind.“
Laonira war stolz auf ihre Tochter, die nicht nur schön sondern auch ein tapferes Mädchen war, wenngleich sie gelegentlich zu Jähzorn neigte und ihre Ammen sie fürchteten. Als kleines Mädchen hatte sie eine der Frauen, die ihr verboten hatten, auf einem Esel zu reiten, in die Hand gebissen und diese Narbe war Anlass, die Tochter der Herrscherin für böse und hinterhältig zu halten. Doch Myadne war keines von beiden, sie war nur eigenwillig und behauptete sich gegenüber ihrer Zofen und Freundinnen gerne mit ihrer körperlichen Überlegenheit. Myadne hatte die hohen Wangenknochen ihres Vaters und seinen stolzen Gang geerbt. Sie überragte ihre Mutter um fast einen Kopf, ihre schlanken Glieder erschienen etwas zu lang und zu dünn. Laonira hoffte, dass sich Myadne noch weiblicher entwickeln würde. Die Schwimmhäute zwischen ihren Zehen waren bereits gewachsen und sie bewegte sich unter Wasser so geschickt wie die besten Taucherinnen der Insel. Laonira hatte vergeblich versucht, ihr zu verbieten zum Perlentauchen mitzugehen. Myadne war beim Tauchen nicht nur sehr ausdauernd, sondern auch sehr erfolgreich. Die Muscheln, die sie mit ihrer scharfen Klinge von den Felsen löste, enthielten oft die größten Perlen. Laonira hatte schließlich nachgegeben und ihr erlaubt, mit den anderen Frauen hinauszufahren.
Dass Myadne bei diesen Perlentauchgängen gelegentlich fremde Männer aus Booten von Astrilandis kennen gelernt hatte, hatte sie vor ihrer Mutter geheim gehalten. Sie wollte sie nicht unnötig aufregen. Gerade diese Tauchgänge machten ihr besonders viel Spaß, weil die fremden Zuschauer nicht wussten, wie die Salsivaren es anstellten, so lange unter Wasser zu bleiben. Die Astrilandier gingen nie selbst ins Wasser und fürchteten sich vor Kraken und anderen Meeresbewohnern. Myadne dagegen liebte das Spiel mit diesen Tieren, die so zutraulich waren und wenn sie sich mit der Hand an einer Delphinflosse haltend durch die Fluten gleiten ließ, vergaß sie alle Langeweile, die sie sonst so oft quälte. Diese Tiere umlagerten die Perlenboote und genossen das Spiel mit den Taucherinnen und die Fischer hielten sich an das Gebot, Delphine freizulassen, falls sie sich in ihren
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