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Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Titel: Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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beschriebene Ehebruch wird als Verstoß gegen die gute Moral erachtet, die in Frankreich zu dieser Zeit gelten soll. Flaubert wird zwar freigesprochen, wird aber während des Prozesses natürlich gefragt, wer das Vorbild seiner weiblichen Romanfigur sei.
    »Ich bin Madame Bovary«, antwortet Flaubert und sagt es sicherheitshalber noch ein weiteres Mal, auch um das Gesagte zu verstärken. »Madame Bovary, c’est moi, d’après moi …« Nach mir.
    Gestaltet nach ihm, nach seinem Leben. Und falls es wirklich wahr ist, dass »Madame Bovary« in der Tat Gustave Flauberts Autobiografie war, dann ist die Geschichte meiner eigenen Reise durch die gesellschaftlichen Klassen vielleicht ein Roman über mein Leben. Und da ich ausnahmsweise einmal frei wählen kann, kann diese Beschreibung ein Mittel sein, mich meiner Rolle als Schriftsteller zu versichern, obwohl das meiste, was hier steht, sicher wahr ist. Aber spielt das dieses Mal überhaupt eine Rolle?
    Roman? Autobiografie? Das hier ist die Geschichte meines eigenen gesellschaftlichen Aufstiegs, so wie ich mich daran erinnere.
    Der 12. März 1945 war übrigens ein Montag.

II.

Kindheit

2.

Kleiner Junge mit wenigen Erinnerungen
    Ich besitze nur fünf Erinnerungen an meine ersten fünf Lebensjahre. Fünf halbwegs zusammenhängende Erlebnisse, an die ich mich noch mehr als ein halbes Jahrhundert später erinnere. Was die ersten zwei Lebensjahre betrifft, bekümmert mich das nicht sonderlich. Obwohl etliche Psychologen behaupten, dass wir uns auch an Dinge erinnern können, die im vorsprachlichen Alter geschehen sind, habe ich ihnen nie geglaubt, obwohl ich einige, normalerweise recht vernünftige Leute kenne, die mir von Ereignissen aus ihrem Leben erzählt haben, an die sie sich erinnern und die sich zugetragen haben sollen, als sie noch Windeln trugen. Ohne sich im Geringsten zu schämen und ohne auch nur einen einzigen Gedanken an den Beitrag von Eltern, älteren Geschwistern und anderen Nahestehenden zur frühen, selbsterlebten Geschichte zu verschwenden. Dass ich weder den Leuten, die von sich behaupten, sich auszukennen, noch ihren Zeugen glaube, ist kein Schaden, den mir mein Beruf eingetragen hat. Es hat auch nicht damit zu tun, dass ich seit sehr langer Zeit nach meinen Zweifeln und nicht meinen Überzeugungen gemäß lebe. Ich glaube ihnen einfach nicht, so einfach ist das.
    Physiologen und Neurologen, die sich mit der Fähigkeit des Gehirns, Erinnerungen zu speichern, befasst haben, scheinen sich rührend einig zu sein, dass das Gehirn vor dem dritten Lebensjahr noch nicht reif genug ist, um alle Geräusche, Bilder und Gerüche zu speichern, die mit den Personen, Ereignissen und anderen Erlebnissen zusammenhängen, die fast immer das konkretisieren, was wir Erinnerungen nennen. Ich teile ihre Ansicht.
    Nach meinem dritten Geburtstag wird es jedoch problematisch.
    Ich weiß, dass ich zum Zeitpunkt meiner ersten Erinnerung mehr als nur gehen und meine körperlich erlebten Bedürfnisse einfach ausdrücken kann. Ich kann rennen, springen und, wenn ich Lust dazu habe oder es nötig ist, auf kleinere Bäume klettern. Ich interessiere mich für Dinge und langweile mich, ich bin froh und traurig, mutig und ängstlich auf diese logische und vernunftbedingte Art, die ein erstes Anzeichen dafür ist, dass ich im Begriff bin, ein in seelischer Hinsicht erwachsener Mensch zu werden. Ich kann mich verständlich ausdrücken und begreife fast immer, was andere zu mir sagen. Zusammengenommen spricht das dafür, dass ich ungefähr drei Jahre alt sein muss. Dass ich drei Jahre alt bin, vielleicht sogar schon vier.
    Aus dieser Zeit zwischen meinem dritten und fünften Lebensjahr besitze ich also nur fünf konkrete Erinnerungen. Natürlich ist mir ihre Reihenfolge rein chronologisch nicht klar, aber was mich am meisten beunruhigt, ist, dass es nur so wenige sind. Ich müsste bedeutend mehr Erinnerungen haben, da ich im Vergleich zu meinen Freunden mit allem immer sehr früh dran war und immer ein gutes Gedächtnis besessen habe. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass ich etliches von dem, was mir in einem Zeitraum von zwei Jahren zugestoßen ist, verdrängt haben muss. Die wenigen Vorfälle, an die ich mich trotzdem erinnere, können mir Aufschluss darüber geben, warum dem so war.

3.

Vom Geruch von Kreosot bis zum bösen Wolf
    Dass Gerüche Erinnerungen auslösen können, ist bekannt. Die Madeleines aus Prousts Roman »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« sind für

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