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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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bereits weg sein, bevor die Freunde und Helfer auf den Plan gerufen wurden. All diese Überlegungen schossen ihr durch den Kopf, als sie auf die Frage des Mannes reagierte.
    »Worum geht’s?«, fragte sie zurück.
    Der Mann lächelte.
Da stimmt was nicht,
dachte sie.
Wieso lächelt der?
    Zuerst rechnete sie damit, dass der Mann eine irgendwie anzügliche Bemerkung machen würde, etwas Sexistisches, Beleidigendes oder Herablassendes wie:
Hi, Süße, wie wär’s mit uns beiden?
Irgend so eine sabbernde Gemeinheit. Ihr lag schon eine Antwort auf der Zunge, er solle sich zum Teufel scheren oder etwas in der Art, um dann einfach weiterzugehen, als sie hinter dem Mann eine Frau auf dem Fahrersitz entdeckte. Die Frau trug eine Strickmütze, und obwohl sie jung war, lag in ihren Augen ein barscher, steinharter Ausdruck, den Jennifer noch bei keinem Menschen gesehen hatte und der ihr augenblicklich Angst einjagte. Die Frau hatte eine kleine Videokamera in der Hand. Sie war auf Jennifer gerichtet.
    Die Antwort des Mannes auf ihre Frage verwirrte sie. Sie hatte damit gerechnet, dass er nach einer Adresse in ihrem Viertel suchte oder nach dem direktesten Weg auf die Route 9, doch er sagte: »Um dich.« Was wollten die von ihr? Niemand wusste von ihrem Plan. Noch konnte ihre Mutter die irreführende Nachricht, die sie mit dem Magneten an der Kühlschranktür befestigt hatte, nicht gelesen haben. Und so zögerte sie genau die Sekunde, in der sie, so schnell sie konnte, hätte wegrennen oder aber laut um Hilfe rufen sollen.
    Die Tür des Lieferwagens flog auf. Der Mann sprang vom Beifahrersitz. Er bewegte sich so schnell, wie sie es niemals für möglich gehalten hätte.
    »Hey!«, sagte Jennifer. Zumindest
glaubte
sie später, dass sie
hey
gesagt hatte, auch wenn sie es nicht beschwören konnte.
    Der Mann hatte ihr so fest ins Gesicht geschlagen, dass sie ins Wanken geriet. Der Schmerz explodierte in ihren Augen und schoss ihr durch den ganzen Körper. Ihr wurde schwindelig, alles drehte sich, und sie merkte, wie sie ohnmächtig wurde. Als sie zurücktaumelte und zusammensackte, packte er sie an der Schulter, damit sie nicht zu Boden fiel. Sie hatte weiche Knie, Schulter und Rücken fühlten sich wie Gummi an. Sie war vollkommen kraftlos.
    Wie durch einen Nebelschleier nahm sie wahr, dass sich die Tür öffnete und der Mann sie ins Heck des Wagens schob. Sie hörte, wie die Tür mit einem Knall zufiel. Als der Wagen mit hoher Geschwindigkeit in die Kurve ging, wurde sie auf die stählerne Ladefläche geworfen. Sie spürte das Gewicht des Mannes, der sie niederdrückte. Sie bekam kaum noch Luft, und vor Angst war ihr die Kehle wie zugeschnürt. Sie wusste nicht, ob sie versuchte, sich zu wehren oder herauszuwinden, sie wusste auch nicht, ob sie schrie oder weinte, denn in ihrem benommenen Zustand bekam sie alles nur noch wie von ferne mit.
    Als es plötzlich schwarz um sie wurde, schnappte sie nach Luft und dachte, sie fiele in Ohnmacht, doch dann wurde ihr klar, dass der Mann ihr einen schwarzen Kissenbezug über den Kopf gezogen hatte und sie selbst die winzige Welt des Lieferwagens nicht mehr sehen konnte. Sie schmeckte Blut an den Lippen, ihr drehte sich immer noch der Kopf, und sie wusste nur, dass gerade etwas viel Schlimmeres mit ihr passierte als alles, was sie bis dahin kannte.
    Ein Gestank drang durch den Kissenbezug, ein starker Ölgeruch vom Boden des Lieferwagens; dazu der süßliche Schweißgeruch von dem Mann, der sie niederdrückte. Irgendwo tief in ihrem Innern wusste sie, dass sie starke Schmerzen hatte, auch wenn sie nicht genau ausmachen konnte, wo. Sie versuchte, die Arme und Beine zu bewegen, doch wie ein Hund, der im Traum Karnickel jagt, zuckte sie nur hilflos in der Luft. Sie hörte, wie der Mann flüsterte: »Nein, das lassen wir schön sein.« Und dann explodierte es noch einmal auf ihrem Kopf und hinter ihren Augen. Das Letzte, was sie mitbekam, waren die Worte der Frau. »Bring sie nicht um, verdammt noch mal …«

3
    E r hielt die rosa Kappe so behutsam wie ein Lebewesen und drehte sie um. An der Innenseite der Krempe stand in Tinte der Name
Jennifer,
gefolgt von einer grinsenden Ente und den Worten
ist cool,
als beantworteten sie eine Frage. Kein Nachname, keine Telefonnummer, keine Adresse.
    Adrian saß auf seinem Bett. Neben ihm lag im scharfen Kontrast zu der bunten Patchwork-Decke, die seine Frau kurz vor ihrem Unfall auf einem Trödelmarkt erstanden hatte, seine Ruger Neunmillimeter. Im

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