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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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ganzen Schlafzimmer hatte er Fotos von seiner Frau und seiner Familie ausgebreitet, um sie sich ansehen zu können, während er sich wappnete. In seinem kleinen heimischen Arbeitszimmer, in dem er früher über seinen Vorlesungen und Stundenplänen gebrütet hatte, lag jetzt der Ausdruck eines Wikipedia-Artikels über Lewy-Körper-Demenz, den er an den ärztlichen Befund der Neurologenpraxis getackert hatte.
    Blieb nur noch der Abschiedsbrief – etwas tief Empfundenes und Poetisches. Er hatte schon sein Leben lang ein Faible für Poesie gehabt und immer mal wieder eigene Verse geschmiedet. Er besaß ganze Regalwände voll mit Anthologien, von der Moderne bis zur Antike, von Paul Muldoon und James Tate bis zu Ovid und Catull. Vor ein paar Jahren hatte er ein Bändchen mit seinen eigenen Gedichten,
Liebeslieder und Wahn,
im Selbstverlag herausgegeben. Nicht dass er sie wirklich für gut hielt. Er liebte es einfach, sie zu schreiben, sei es im Freivers oder gereimt, und er hatte das Gefühl, dass sie ihm in diesem Moment helfen könnten – Poesie statt Bravour. Einen Moment war er abgelenkt. Er überlegte, wo er ein Exemplar seines Buchs aufbewahrte. Es gehörte, fand er, zusammen mit den Bildern und der Waffe aufs Bett. Dann wäre für denjenigen, der nach seinem Selbstmord am Ort des Geschehens eintreffen würde, alles vollkommen klar.
    Er erinnerte sich daran, dass er, unmittelbar bevor er abdrücken würde, den Notruf wählen und einen Schuss in seinem Haus melden sollte. Auf diese Weise würden binnen weniger Minuten dienstfertige Polizisten erscheinen. Er wusste, dass er die Haustür einladend offen stehen lassen sollte. Mit solchen Vorsichtsmaßnahmen würde er verhindern, dass Wochen vergingen, bevor jemand seine Leiche fand. Keine Verwesung. Kein Geruch. Alles so sauber und ordentlich wie möglich. Gegen die Blutspritzer konnte er nun mal nichts machen.
    Einen Moment kam ihm der Gedanke, ein Gedicht über sein Vorhaben zu schreiben:
Von eigener Hand aus letzter Hand.
Kein schlechter Titel, fand er.
    Adrian wippte vor und zurück, als könnte die Bewegung Gedanken freisetzen, die in irgendwelchen dunklen Nischen in seinem Kopf feststeckten, zu denen er keinen Zugang mehr hatte. Möglicherweise gab es ein paar Angelegenheiten, die er vor seinem Selbstmord noch erledigen sollte – die eine oder andere vergessene Rechnung bezahlen, die Heizung und den Wasserboiler abschalten, die Garage zuschließen, den Müll hinaustragen. Er ertappte sich dabei, im Kopf eine kleine Erledigungsliste durchzugehen wie der typische Vorstadtbewohner am Samstagmorgen. Ihm kam der seltsame Gedanke, dass er mehr Angst davor hatte, mit seinem Tod anderen ein Durcheinander zu hinterlassen, als davor, sich tatsächlich umzubringen.
    Das Durcheinander des Todes. Mehr als einmal war er derjenige gewesen, der es zu beseitigen hatte. Erinnerungen liefen gegen seine organisatorischen Überlegungen Sturm. Er kämpfte gegen die traurigen Bilder an, die ihm durch den Kopf geisterten, und konzentrierte sich mit aller Macht auf die Fotos, die ihn auf dem Bett und in den Bilderrahmen auf dem Tisch umgaben. Eltern, Bruder, Frau und Sohn:
Komme gleich,
dachte er. Schwester in der Ferne, Nichten, Freunde, Kollegen
. Bis später dann
. Es kam ihm vor, als spräche er mit den Menschen, die ihm da entgegenlächelten und -grinsten: glückliche Momente bei Barbecues, Hochzeiten und Urlaubsreisen – alle auf Zelluloid gebannt.
    Er sah sich um. Die anderen Erinnerungen würden gleich für immer verschwinden. Die schrecklichen Zeiten, die es in seinem Leben viel zu oft gegeben hatte.
Drück ab, und das ist alles vorbei.
Er senkte den Blick und stellte fest, dass er immer noch die rosafarbene Kappe in Händen hielt.
    Er wollte sie gerade weglegen und gegen die Waffe tauschen, hielt jedoch plötzlich inne.
    Das wird die Leute verwirren,
dachte er.
Irgendein Polizist wird sich fragen: Was zum Teufel wollte der Mann mit einer rosafarbenen Red-Sox-Kappe? Das könnte sie unnötigerweise auf eine falsche Fährte locken und sie auf den Gedanken bringen, sie hätten es mit irgendeinem unerklärlichen Mord zu tun.
Er hob die Kappe direkt in Augenhöhe, so wie man ein Juwel ans Licht hält, um darin die Unvollkommenheiten zu sehen.
    Der grobe Baumwollstoff fühlte sich warm an. Er strich mit dem Finger das B entlang. Die rosa Farbe war ein wenig verblasst und das Schweißband ausgefranst. Das konnte nur passiert sein, weil das blonde Mädchen sie oft getragen

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