Der Rabbi
Installationen waren veraltet, die Rohre gaben gurgelnde und stöhnende Geräusche von sich. Aber der Eichenboden war großzügig im Zuschnitt und mit Sorgfalt verlegt. Es gab einen Ziegelkamin im größeren Schlafzimmer und einen Marmorkamin mit einer schönen alten gemauerten Feuerstelle im Wohnzimmer. Von dem hohen, achtteiligen Vorderfenster aus überblickte man das Universitätsgelände.
»O Michael«, sagte Leslie, »wie schön! Hier können wir zu Hause sein, bis die Familie größer geworden ist. Max könnte von hier aus ins College gehen.«
Diesmal war er schon zu gewitzt, um zu nicken, aber er lächelte, als er den Scheck für den Gebäudemakler ausschrieb.
Seine Tage in Wyndham waren von Anfang an ausgefüllt mit Arbeit und Menschen. Sowohl Hillel als die Intercollegiate Zionist Federation of America verfügten über Studentengemeinden an der Universität, und beide hatte Michael zu betreuen. Gelegentlich unternahm er kleine Reisen mit Leuten vom Bauausschuß, um neue Tempel in anderen Gemeinden zu besichtigen. Leslie inskribierte als außerordentliche Hörerin für semitische Sprachen, und zweimal in der Woche lernte er mit ihr und einigen ihrer Kollegen. Tempel Emeth war eine intellektuelle Gemeinde in einer intellektuellen Stadt, und bald verbrachte Michael viel Zeit mit ähnlichen Studiengruppen und Forumsdiskussionen an der Universität. Er fand, daß die Cocktailparties den leidenschaftlichen Diskussionsabenden alter Talmudisten glichen, mit dem einzigen Unterschied, daß diese ihre modernen Schüler sich zumeist über Propheten wie Teller oder Oppenheimer oder Herman Kahn erhitzten. Die Studenten-und Studentinnen-Verbindungen erfüllten wichtige soziale Funktionen, und die Kinds hatten an den verschiedensten Veranstaltungen teilzunehmen. So fungierten sie eines Winterabends als Anstandspersonen bei der Schlittenpartie einer Jugendgruppe und hofften, während sie über den Schnee dahinglitten und einander unter der Decke an den Händen hielten, daß all das Lachen und Geschnatter rund um sie in der Dunkelheit nichts sei als der Ausdruck unschuldigen Vergnügens.
Die Wochen vergingen so schnell, daß Michael erstaunt war, als die Ausschußmitglieder des Tempels mit einem neuen Vertrag bei ihm erschienen und er gewahr wurde, daß ein Jahr vergangen war. Dieser neue Vertrag lautete über zwei Jahre, und er unterschrieb ihn ohne Zögern. Tempel Emeth war sein Tempel. Der Gottesdienst war jeden Freitagabend gut besucht, und Michaels Predigten lösten beim oneg schabat lebhafte Diskussionen aus. Zu Rosch-Haschana und Joni-Kipur mußte er jeweils zwei Gottesdienste abhalten. Während des zweiten am letzten Tag von Jom-Kipur erinnerte er sich plötzlich daran, wie einsam und nutzlos er sich in San Francisco gefühlt hatte.
Er betrieb Eheberatung, aber so wenig wie möglich. Es stellte sich heraus, daß er selbst ein Eheproblem zu bewältigen hatte. Nach ihrer Obersiedlung hatten er und Leslie gefunden, Max sei nun alt genug, einen Bruder oder eine Schwester zu bekommen. Sie verwendeten also keine Schutzmittel mehr, zuversichtlich hoffend, daß der schon einmal vollzogene Zeugungsakt sich mühelos wiederholen ließ. Leslie packte das Pessar in Talkumpuder und legte die kleine Schachtel in die Zedernkiste zu den Reservedecken. So ergaben sie sich zwei-bis dreimal pro Woche mit großen Erwartungen der Liebe, aber nach einem Jahr mußte Michael erleben, daß er jedesmal nachher noch wach lag, während sie ihm den Rücken zukehrte und, auf jedes Nachspiel verzichtend, schon eingeschlafen war. Er hingegen starrte dann ins Dunkel und sah dort die Gesichter seiner ungeborenen Kinder und fragte sich, warum sie so schwer zum Leben zu erwecken waren. Er betete zu Gott um Beistand und ging dann oftmals barfuß ins Zimmer seines Sohnes, wo er beunruhigt die Decke zurechtschob, so daß sie Max bis an das kindliche Kinn reichte. Er sah auf die magere Gestalt hinunter, die so wehrlos vor ihm im Schlaf lag, ledig aller Revolver, ledig auch der Oberzeugung, man könne jedem Übel schon durch einen Schlag in den Magen begegnen. Und abermals betete er um Leben und Glück seines Kindes.
So vergingen viele seiner Nächte.
Die Leute starben, und er übergab sie der wartenden Erde. Er predigte, er betete, die Leute verliebten sich, und er machte ihre Liebe rechtskräftig und segnete sie. Der Sohn des Mathematikprofessors Sidney Landau ging mit der blonden Tochter des schwedischen Leichtathletiktrainers Jensen durch. Und
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