Der Raecher
noch leise, kam aber näher.
»Wo sind wir?«, brüllte Zoran Zilić.
»In Key West.«
»Wieso?«
»Erinnern Sie sich noch an die Wiese in Bosnien? Im Frühjahr 1995? An den jungen Amerikaner, der um sein Leben flehte? Tja, Freundchen, das alles...« Er machte eine ausholende Bewegung. »... ist ein Geschenk vom Großvater des Jungen.«
Er stieg die Treppe hinunter, ging zum Bugfahrwerk und zerschoss mit zwei Kugeln die Reifen. Bis zum Begrenzungszaun waren es zwanzig Meter. Der dunkle Overall verschwand bald in der Dunkelheit, als er sich über den Maschendraht schwang und durch den Mangrovensumpf stapfte.
Die Lichter des Flughafens verblassten zwischen den Bäumen, doch auf dem Highway hinter dem Sumpf blitzten die Scheinwerfer von Autos auf. Er zog ein Handy aus der Tasche und wählte im Licht des kleinen Displays eine Nummer. Im fernen Windsor, Ontario, meldete sich ein Mann.
»Mr. Edmond?«
»Am Apparat.«
»Das Paket aus Belgrad, das Sie bestellt haben, ist am Flughafen Key West, Florida, eingetroffen.«
Mehr sagte er nicht, und er hörte gerade noch den Schrei seines
Gesprächspartners, ehe er die Verbindung unterbrach. Nur der Sicherheit halber flog das Handy ins brackige Sumpfwasser neben dem Pfad und versank auf Nimmerwiedersehen.
Zehn Minuten später wurde ein Senator in Washington beim Abendessen gestört, und knapp eine Stunde später eilten zwei Marshals vom Federal Marshal Service in Miami nach Süden.
Die Marshals hatten Islamorada noch nicht hinter sich gelassen, als ein nach Norden fahrender Trucker gleich hinter Key West auf der US 1 eine einsame Gestalt im Overall am Straßenrand sah. Im Glauben, es handle sich um einen Kollegen, der mit seinem Laster liegen geblieben war, hielt er an.
»Ich fahre rauf bis Marathon!«, rief er der Gestalt im Overall zu. »Willst du mit?«
»Marathon passt mir gut«, antwortete der Mann.
Aus einem Fernfahrerlokal in Marathon rief Dexter nochmals in Ontario an. Daraufhin telefonierte Steve Edmond mit seinem Freund, Senator Lucas, in Washington. Weitere Anrufe wurden getätigt, auch mit dem Polizeichef in Key West, und ein Bundesmarshal machte sich auf den Weg, bewaffnet mit einem Haftbefehl wegen Mordes.
Kevin McBride brauchte den ganzen 9. September, um nach Hause zu kommen. Major Van Rensberg, der immer noch vergeblich nach dem Eindringling suchte, tröstete sich mit dem Gedanken, dass wenigstens sein Chef in Sicherheit sei, und brachte den CIA-Mann in die Hauptstadt. Oberst Moreno buchte für ihn einen Flug am Airport Paramaribo. Die Maschine der KML brachte ihn auf die Insel Curaçao. Dort bekam er Anschluss zum Miami International, und von dort flog er mit dem Shuttle nach Washington. Er landete sehr spät und war erschöpft. Als er sehr früh am Montagmorgen das Büro seines Chefs betrat, saß Paul Devereaux bereits am Schreibtisch.
Er sah aschfahl aus und wirkte gealtert. Er bedeutete
McBride, sich zu setzen, und schob müde ein Blatt Papier über den Tisch.
Alle tüchtigen Reporter bemühen sich um einen guten Draht zur Polizei ihrer Region. Sie wären dumm, wenn sie es nicht täten. Und der Korrespondent des Miami Herald in Key West bildete keine Ausnahme. Von den Ereignissen in der Nacht des Samstags erfuhr er am Sonntagmittag über Freunde bei der örtlichen Polizei, und sein Artikel wurde noch rechtzeitig für die Montagausgabe fertig. Was Devereaux am Montagmorgen auf seinem Schreibtisch vorgefunden hatte, war eine Zusammenfassung des Zeitungsberichts.
Der Artikel über einen serbischen Warlord und mutmaßlichen Massenmörder, den man nach einer Notlandung auf dem Key West International in seinem eigenen Jet verhaftet hatte, war der dritte Aufmacher auf der Titelseite.
»Großer Gott«, stieß McBride beim Lesen hervor, »wir dachten, er sei entkommen.«
»Mitnichten«, entgegnete Devereaux. »Wie es aussieht, wurde er entführt. Wissen Sie, was das bedeutet, Kevin? Nein, natürlich nicht. Mein Fehler. Ich hätte Sie einweihen sollen. Das Projekt Peregrine ist gestorben. Die Arbeit von zwei Jahren für die Katz. Ohne ihn kann ich nicht weitermachen.«
Punkt für Punkt schilderte Devereaux das Komplott, das er geschmiedet hatte, um den größten Coup des Jahrhunderts gegen den Terrorismus zu landen.
»Wann sollte er denn nach Karachi fliegen und von dort weiter zu dem Treffen in Peshawar?«
»Am Zwanzigsten. Ganze zehn Tage haben mir gefehlt.«
Er stand auf, trat ans Fenster und blickte, McBride den Rücken zukehrend,
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