Der Rattenfänger
missbrauchte ihn als Lasttier und nutzte seine Körperkraft zu ihrem Schutz und zur Einschüchterung renitenter Kunden bei zwielichtigen Geschäften. Seiner Mutter zu dienen war Elis einziger Lebensinhalt und darum kam er dieser Pflicht bedingungslos nach.
Während die Kinder in Panik zur Tür rannten, tauchte aus der dunklen Ecke, einen Knüppel in der Hand, der mondgesichtige Eli auf. Er hatte wie immer instinktiv auf den Schrei seiner Mutter reagiert. Denn er wusste, dass es Ärger geben und sie seine Hilfe brauchen würde. Das genügte ihm.
Hawkwood war der Suppenkelle geschickt ausgewichen. Ein Anflug von Belustigung erhellte seine finstere Miene, als das Küchengerät von der Wand abprallte und klappernd zu Boden fiel. Als er jedoch dieses monströse Wesen auf sich zukommen sah, wurde sein Gesicht grimmig. Entschlossen stellte er sich dieser neuen Gefahr.
»Halt ihn auf, Eli! Er will deiner Mutter wehtun!«, kreischte die alte Frau. Für seine massige Gestalt griff Eli Gant erstaunlich rasch an.
Aber Hawkwood war schneller, wich dem Knüppel aus und trat Eli gleichzeitig hart zwischen die Beine. Eli klappte der Kiefer herunter, und er sackte mit schmerzverzerrtem Gesicht in sich zusammen. Schon hatte Hawkwood seinen Schlagstock in der Hand und verpasste Eli einen brutalen Hieb an die Schläfe. Der Boden aus festgestampftem Lehm schien zu beben, als der Koloss völlig zusammenbrach. Hawkwood betrachtete die keuchend nach Atem ringende, sich windende Gestalt und schüttelte müde den Kopf. Wie oft er das schon erlebt hatte!
Als er wieder aufblickte, war Mutter Gant verschwunden. Hawkwood fluchte, drehte sich um und bellte: »Rafferty!«
Sofort tauchte in der Tür ein stämmiger Mann mit rotem Kopf und derben Gesichtszügen in der Uniform eines Constables auf: schwarzer Filzhut, zweireihiger blauer Rock mit dazu passender Weste. Verblüfft betrachtete er die auf dem Boden liegende Gestalt und riss die Augen noch weiter auf, als Hawkwood darüber hinwegsprang, den Raum durchquerte und den verschlissenen Vorhang an der hinteren Wand beiseite zog. Hawkwood spähte in den dahinter liegenden dunklen Gang, hörte ein leises schlurfendes Geräusch und sah dann in einiger Entfernung im schwachen flackernden Licht einer Laterne die geduckte, hastig dahineilende Gestalt. Mutter Gant hatte ihren schwachsinnigen Sohn im Stich gelassen und war auf der Flucht.
Hawkwood musste sich beeilen, denn es war nicht zu erkennen, wie lange der Tunnel war, wo er endete und wie viele Ausgänge, Falltüren und verborgene Treppen es in diesem unterirdischen Gewirr aus Gängen zu den darüber liegenden schmalen Gassen gab. Und die alte Frau kannte dieses Labyrinth natürlich in- und auswendig.
Hawkwood blieb keine Zeit, sich eine Laterne zu besorgen, er musste einfach dem schwachen Lichtschein folgen. Schnell drehte er sich um, deutete mit dem Kopf auf den noch immer zusammengekrümmt daliegenden Eli und befahl dem Constable barsch: »Pass auf ihn auf!« Dann umklammerte er fest seinen Schlagstock und verschwand in dem dunklen Loch.
Der Gestank war entsetzlich. Die feuchte, nach Verwesung riechende Luft raubte ihm den Atem und brannte in seinen Augen. Der Boden unter seinen Füßen fühlte sich fest an, aber immer wieder trat er in zähen Schlamm, der sich an seinen Stiefeln festsaugte. Mehr als einmal spitzte er die Ohren und hörte das Piepen und Pfeifen der Ratten.
Er konnte nicht erkennen, woraus die Tunnelwände bestanden. Manchmal berührte er Ziegelsteine, dann wieder verrottetes Holz, das unter seinen Fingern zerbröselte. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, entdeckte er Öffnungen in den Wänden, Gabelungen zu noch mehr Fluchtwegen. Gelegentlich schimmerte durch einen Spalt in einer Wand ein Lichtschimmer, das Flackern einer Kerze, die anzeigte, dass in dieser seltsamen unterirdischen Welt außer Ratten und Mäusen noch andere, höher entwickelte Schädlinge lebten. Und Witwe Gants flackernde Laterne zog ihn immer tiefer in diesen unterirdischen Irrgarten hinein.
Plötzlich erlosch das Licht vor ihm. Hawkwood blieb lauschend stehen, achtete, alle Sinne angespannt, auf die leiseste Bewegung und ging vorsichtig weiter. Er fragte sich, wie weit er in den Tunnel vorgedrungen war. Es kam ihm wie eine Meile vor, aber in der Dunkelheit ließ sich die Entfernung schlecht abschätzen. Wahrscheinlich war er nicht mehr als hundert Schritte gegangen, wenn überhaupt.
Nur noch ein fahler Schein tief am Boden wies
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