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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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einzureichen.
    Cooper gibt mir eine Zeitung und fragt, ob ich sie schon gesehen habe. Es ist das Wall Street Journal, die Ausgabe vom Vortag, und auf der Titelseite steht ein Artikel über Great Benefit. Ich sage ihnen, daß ich seit einer Woche keine Zeitung mehr gelesen habe und nicht einmal weiß, welcher Tag heute ist. Sie kennen das Gefühl.
    Ich lese den Artikel rasch durch. Er berichtet hauptsächlich über die wachsende Zahl von Beschwerden über Great Benefit und ihre Praxis, Ansprüche abzuweisen. Viele Staaten haben bereits Ermittlungen eingeleitet. Zahlreiche Klagen wurden eingereicht. Im letzten Absatz heißt es, daß jetzt ein gewisser kleiner Prozeß unten in Memphis aufmerksam verfolgt würde, weil er das erste substantielle Urteil gegen die Gesellschaft bringen könnte.
    Ich zeige Kipler den Artikel in seinem Amtszimmer, und er ist nicht weiter interessiert. Er wird lediglich die Geschworenen fragen, ob sie ihn gesehen haben. Sie sind ermahnt worden, keine Zeitungen zu lesen. Wir bezweifeln beide, daß es unter unseren Leuten viele Leser des Journal gibt.
    Die Verteidigung ruft als ersten Zeugen Andre Weeks auf, den Stellvertretenden Leiter der Versicherungsaufsichtsbehörde des Staates Tennessee. Er ist ein hochrangiger Beamter, den Drummond schon früher in den Zeugenstand gerufen hat. Seine Aufgabe besteht darin, die Regierungsbehörde eindeutig auf Seiten der Verteidigung zu plazieren.
    Er ist ein sehr gutaussehender Mann um die Vierzig mit einem eleganten Anzug, verbindlichem Lächeln und einem ehrlichen Gesicht. Außerdem hat er in diesem Moment einen entscheidenden Vorzug: Er arbeitet nicht für Great Benefit. Drummond stellt ihm einen Haufen belangloser Fragen über die Überwachungspflichten seiner Behörde; er versucht, es so klingen zu lassen, als gingen diese Leute erbarmungslos auf die Branche los und ließen ständig die Peitsche knallen. Da Great Benefit in diesem Staat nach wie vor einen guten Ruf hat, liegt auf der Hand, daß die Gesellschaft sich ordentlich benimmt. Andernfalls hätten Andre und seine Meute sich längst auf sie gestürzt.
    Drummond braucht Zeit. Er braucht einen kleinen Berg von Aussagen, den er vor den Geschworenen abkippen kann, damit sie vielleicht einiges von den entsetzlichen Dingen vergessen, die sie schon gehört haben. Er agiert langsam, redet langsam, fast wie ein alternder Professor. Und er ist sehr gut. Wenn die Fakten nicht so wären, wie sie sind, würde er tödlich sein.
    Er gibt Weeks die Black-Police, und sie verbringen eine halbe Stunde damit, den Geschworenen zu erklären, daß jede Police, jede einzelne Police, von der Versicherungsaufsichtsbehörde gutgeheißen werden muß. Auf das Wort »gutgeheißen« wird besonderer Nachdruck gelegt.
    Da ich nicht auf den Beinen bin, kann ich mehr Zeit damit verbringen, mich umzusehen. Ich mustere die Geschworenen, von denen einige Blickkontakt halten. Sie sind auf meiner Seite.
    Ich bemerke Fremde im Gerichtssaal, junge Männer in Anzügen, die ich bisher noch nie gesehen habe. Cooper Jackson und seine Kollegen sitzen in der hintersten Reihe, in der Nähe der Tür. Es sind kaum fünfzehn Zuschauer anwesend. Wer interessiert sich schon für einen Zivilprozeß?
    Nach ungefähr anderthalb Stunden eines stinklangweiligen Verhörs über die Komplexität der Versicherungsaufsicht in diesem Staate läßt die Aufmerksamkeit der Geschworenen nach. Drummond kümmert das nicht. Er versucht verzweifelt, den Prozeß bis in die nächste Woche hinein auszudehnen. Kurz vor elf entläßt er schließlich den Zeugen; der Vormittag ist praktisch nutzlos verschwendet. Wir machen eine Viertelstunde Pause, und dann bin ich an der Reihe, um ein paar Schüsse ins Dunkle abzugeben.
    Weeks sagt, daß im Augenblick mehr als sechshundert Versicherungsgesellschaften im Staat operieren, daß sein Büro einundvierzig Leute beschäftigt, von denen allerdings nur achtzehn tatsächlich Policen überprüfen. Er schätzt widerstrebend, daß jede der sechshundert Gesellschaften mindestens zehn verschiedene Policen ausstellt, seiner Behörde also mindestens sechstausend Policen vorliegen. Und er gibt zu, daß die Policen ständig geändert und ergänzt werden.
    Wir stellen noch ein paar weitere Berechnungen an, und es gelingt mir, meine Botschaft rüberzubringen, daß es einer Behörde unmöglich ist, den Ozean von Kleingedrucktem, den die Versicherungsgesellschaften erzeugen, zu überwachen. Ich gebe ihm die Black-Police. Er behauptet, sie

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