Der Regenmacher
Hundert-Dollar-Scheinen fühlt sich gut an. Ich verstecke ihn unter der Fußmatte.
Als ich an die Tür der Blacks klopfe, ist es schon fast dunkel. Dot macht auf und lächelt beinahe, als sie sieht, daß ich es bin.
Das Haus ist still und dunkel, immer noch sehr in Trauer. Ich glaube nicht, daß es jemals anders werden wird. Buddy liegt mit einer Grippe im Bett.
Bei einer Tasse Instantkaffee bringe ich ihr schonend die Neuigkeit bei, daß Great Benefit mit dem Bauch nach oben schwimmt und daß sie abermals in die Röhre guckt. Wenn nicht irgendwann in ferne Zukunft ein Wunder geschieht, sehen wir keinen roten Heller. Ihre Reaktion überrascht mich nicht.
Offenbar gibt es mehrere unklare Gründe für den Untergang von Great Benefit, aber im Augenblick ist es Dot sehr wichtig, zu glauben, daß sie das Geschehene ausgelöst hat. Ihre Augen funkeln, und auf ihrem Gesicht liegt ein glücklicher Ausdruck, während sie es verdaut. Sie hat sie aus dem Geschäft befördert. Eine kleine, entschlossene Frau in Memphis, Tennessee, hat diese Schweine in den Konkurs getrieben.
Morgen wird sie zu Donny Rays Grab gehen und es ihm erzählen.
Kelly wartet nervös in Betty Norvelles Zimmer. Sie umklammert eine kleine lederne Reisetasche, die ich ihr mitgebracht habe. Sie enthält Toilettenartikel und ein paar vom Frauenhaus gespendete Kleidungsstücke. Das ist alles, was sie besitzt.
Wir unterschreiben die erforderlichen Papiere und danken Betty. Während wir rasch auf den Wagen zugehen, halten wir uns bei den Händen. Sobald wir drinnen sitzen holen wir tief Luft, dann fahren wir davon.
Die Waffe liegt unter dem Sitz, aber jetzt mache ich mir keine Sorgen mehr.
»Welche Richtung?« frage ich, als wir die Kreuzung der Interstate erreicht haben, die um die Stadt herumführt. Wir lachen darüber, weil es einfach wunderbar ist. Es spielt keine Rolle, wohin wir fahren.
»Ich möchte die Berge sehen«, sagt sie.
»Ich auch. Osten oder Westen? «
»Hohe Berge.«
»Also dann nach Westen.«
»Ich möchte den Schnee sehen.«
»Ich nehme an, wir werden welchen finden. «
Sie kuschelt sich an mich und legt den Kopf an meine Schulter. Ich streichle ihre Beine.
Wir überqueren den Fluß und sind in Arkansas. Hinter uns verschwindet die Skyline von Memphis. Es ist erstaunlich, wie wenig von alledem wir vorausgeplant haben. Bis heute morgen wußten wir nicht ob sie die Stadt überhaupt verlassen durfte. Aber die Anklage wurde fallengelassen, ich habe ein Schreiben vom Staatsanwalt höchstpersönlich. Ihre Kaution wurde heute nachmittag aufgehoben.
Wir werden uns an einem Ort niederlassen, an dem uns niemand finden kann. Ich habe keine Angst, verfolgt zu werden, ich möchte nur, daß man mich in Ruhe läßt. Ich will nichts von Deck und Bruiser hören. Ich will nichts über die Folgen des Konkurses von Great Benefit hören. Ich will nicht das Miss Birdie anruft und juristischen Rat will. Ich will mir keine Sorgen machen müssen wegen Cliffs Tod und allem, was damit zusammenhängt. Irgendwann einmal werden Kelly und ich darüber sprechen, aber nicht so bald.
Wir werden uns für eine kleine Stadt mit einem College entscheiden, weil sie ihren Schulabschluß nachholen möchte. Sie ist erst zwanzig. Und auch ich bin noch ein halbes Kind. Wir haben eine Menge schweres Gepäck abgeworfen, und jetzt ist es an der Zeit, ein bißchen Spaß zu haben. Ich würde gern an einer High-School Geschichte unterrichten. Das sollte nicht sonderlich schwierig sein. Schließlich bin ich selbst sieben Jahre aufs College gegangen.
Unter gar keinen Umständen will ich noch einmal irgend etwas mit der Juristerei zu tun haben. Ich werde meine Lizenz verfallen lassen. Ich werde mich nicht in die Wählerliste eintragen lassen, also können sie mich nicht auffordern, als Geschworener zu fungieren. Ich werde nie wieder freiwillig den Fuß in einen Gerichtssaal setzen.
Wir lächeln und kichern, während das Land flacher und der Verkehr dünner wird. Memphis liegt zwanzig Meilen hinter uns. Ich gelobe mir, nie dorthin zurückzukehren.
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