Der Regenmacher
angetan hat. In dieser Stadt gibt es eine Zeitung, die über alle möglichen juristischen und finanziellen Transaktionen berichtet. Sie heißt The Daily Report und enthält neben dem Scheidungsregister und einem Dutzend anderer wichtiger Rubriken auch eine Liste der Konkursanmeldungen des Vortages. Mein Freund oder meine Freunde haben es offenbar für einen besonders netten Zug gehalten, den Abschnitt mit meinem Namen in der gestrigen Ausgabe zu vergrößern und diesen kleinen Leckerbissen über die ganze Fakultät zu verbreiten. Er lautet: »Baylor, Rudy L., Student; Aktiva: 1125 Dollar (unpfändbar); gesicherte Schulden: 285 Dollar bei der Wheels and Deals Finance Company; ungesicherte Schulden: 5136,88 Dollar; anhängige Verfahren: (1) Zwangseintreibung durch Texaco, (2) Zwangsräumung aus The Hampton. Arbeitgeber: Keiner; Anwalt: Pro se.«
Pro se bedeutet, daß ich mir keinen Anwalt leisten kann und meine Interessen selbst wahrnehme. Der Student, der in der Eingangshalle der Bibliothek die Aufsicht hat, gab mir ein Exemplar, als ich heute morgen das Gebäude betrat, und sagte, er hätte sie überall herumliegen sehen; sogar an den Schwarzen Brettern wären sie angeschlagen. Er meinte: »Möchte wissen, wer das komisch findet?«
Ich dankte ihm und rannte in meinen Kellerwinkel, um mich mal wieder zwischen meine Bücherstapel zu vergraben und jedem vertrauten Gesicht möglichst aus dem Weg zu gehen. Wenn die Vorlesungen demnächst abgeschlossen sind, haue ich hier ab, bloß weg von diesen Leuten, die ich allesamt nicht ausstehen kann.
An diesem Morgen habe ich einen Termin bei Professor Smoot; ich komme zehn Minuten zu spät. Es stört ihn nicht. In seinem Büro herrscht das obligatorische Chaos eines Gelehrten, der vor lauter Intelligenz keine Ordnung halten kann. Seine Fliege sitzt schief, sein Lächeln ist echt.
Wir reden zuerst über die Blacks und ihre Streitsache gegen Great Benefit. Ich gebe ihm eine dreiseitige Zusammenfassung des Falles, dazu meine gesammelten scharfsinnigen Schlußfolgerungen und Verfahrensvorschläge. Er geht die Seiten sorgfältig durch, und ich betrachte währenddessen die Papierknäuel unter seinem Schreibtisch. Er ist sehr beeindruckt und sagt das immer und immer wieder. Mein Rat für die Blacks lautet, daß sie sich einen Prozeßanwalt suchen und Great Benefit wegen Verstoßes wider Treu und Glauben verklagen sollen. Smoot stimmt mir uneingeschränkt zu.
Wenn der wüßte. Ich will von Smoot nur den Seminarschein, sonst gar nichts. Anschließend reden wir über Miss Birdie. Ich berichte ihm, daß sie recht wohlhabend ist und ihr Testament ändern möchte. Die Details behalte ich für mich. Ich lege ihm ein fünfseitiges Dokument vor, die revidierte Form des Testaments und Letzten Willens von Miss Birdie. Er überfliegt es schnell und meint, es sähe gut aus, ohne es überhaupt richtig gesehen zu haben. Bei seinem Seminar über die juristischen Probleme älterer Leute gibt es keine Abschlußprüfung, und es brauchen auch keine schriftlichen Arbeiten vorgelegt zu werden. Du brauchst nur regelmäßig zu erscheinen, den Gruftis deinen Besuch abzustatten und hinterher eine nette Kurzzusammenfassung zu jedem Fall abzuliefern, und schon gibt Smoot dir ein A.
Smoot kennt Miss Birdie seit etlichen Jahren. Offensichtlich ist sie schon seit geraumer Zeit die Königin von Cypress Gardens, und er hat sie bei Besuchen mit seinen Studenten jährlich zweimal gesehen. Bisher hat sie noch nie Gebrauch von der kostenlosen juristischen Beratung gemacht, sagt er nachdenklich und zupft an seiner Fliege. Es überrasche ihn sehr, nun zu erfahren, daß sie reich sei.
Wie überrascht er erst wäre, wenn ihm zu Ohren käme, daß sie demnächst meine Hauswirtin sein wird.
Von Smoots Büro aus brauche ich nur um die Ecke zu gehen, um in das von Max Leuberg zu kommen. Er hat in der Bibliothek eine Nachricht für mich hinterlassen, daß er mich sprechen müsse. Max geht von hier weg, wenn das Semester zu Ende ist. Er war für zwei Jahre von Wisconsin beurlaubt, und jetzt ist die Zeit abgelaufen. Wahrscheinlich werde ich Max ein wenig vermissen, wenn wir beide nicht mehr hier sind, aber im Augenblick fällt es mir schwer, wehmütige Gefühle für irgend etwas oder irgend jemanden in dieser Fakultät aufzubringen.
In Max’ Büro stapeln sich die Umzugskartons, die den Aufdrucken zufolge sämtlich früher mal zum Transport von Hochprozentigem gedient haben. Er ist beim Packen, und ich habe noch nie ein
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