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Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Titel: Der Richter und sein Henker - Der Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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verlegen. Der Schlaf des Alten und die vielen Bücher kamen ihm. unheimlich vor. Er sah sich sorgfältig um. Der Raum besaß keine Fenster, doch in jeder Wand eine Türe, die zu weiteren Zimmern führen mußte. In der Mitte stand ein großer Schreibtisch. Tschanz erschrak, als er ihn erblickte, denn auf ihm lag eine große, eherne Schlange.
    »Die habe ich aus Konstantinopel mitgebracht«, kam nun eine ruhige Stimme vom Diwan her, und Bärlach erhob sich.
    »Sie sehen, Tschanz, ich bin schon im Mantel.
    Wir können gehen.«
    »Entschuldigen Sie mich«, sagte der Angeredete immer noch überrascht, »Sie schliefen und haben mein Kommen nicht gehört. Ich habe keine Klingel an der Haustüre gefunden.«
    »Ich habe keine Klingel. Ich brauche sie nicht; die Haustüre ist nie geschlossen.«
    »Auch wenn Sie fort sind?«
    »Auch wenn ich fort bin. Es ist immer
    spannend, heimzukehren und zu sehen, ob einem etwas gestohlen worden ist oder nicht.«
    Tschanz lachte und nahm die Schlange aus Konstantinopel in die Hand.

    29
    »Mit der bin ich einmal fast getötet worden«, bemerkte der Kommissär etwas spöttisch, und Tschanz erkannte erst jetzt, daß der Kopf des Tieres als Griff zu benutzen war und dessen Leib die Schärfe einer Klinge besaß. Verdutzt betrachtete er die seltsamen Ornamente, die auf der schreck-lichen Waffe funkelten. Bärlach stand neben ihm.
    »Seid klug wie die Schlangen«, sagte er und musterte Tschanz lange und nachdenklich. Dann lächelte er: »Und sanft wie die Tauben«, und tippte Tschanz leicht auf die Schultern. »Ich habe geschlafen. Seit Tagen das erste Mal. Der verfluchte Magen.«
    »Ist es denn so s chlimm?« fragte Tschanz.
    »Ja, es ist so schlimm«, entgegnete der Kommissär kaltblütig.
    »Sie sollten zu Hause bleiben, Herr Bärlach, es ist kaltes Wetter, und es regnet.«
    Bärlach schaute Tschanz aufs neue an und
    lachte: »Unsinn, es gilt einen Mörder zu finden.
    Das könnte Ihnen gerade so passen, daß ich zu Hause bleibe.«
    Wie sie nun im Wagen saßen und über die Nydeckbrücke fuhren, sagte Bärlach: »Warum fahren Sie nicht über den Aargauerstalden nach Zollikofen, das ist doch näher als durch die Stadt?«
    »Weil ich nicht über Zollikofen-Biel nach Twann will, sondern über Kerzers-Erlach.«
    »Das ist eine ungewöhnliche Route, Tschanz.«
    »Eine gar nicht so ungewöhnliche, Kommissär.«
    Sie schwiegen wieder. Die Lichter der Stadt glitten an ihnen vorbei. Aber wie sie nach Bethlehem kamen, fragte Tschanz:
    »Sind Sie schon einmal mit Schmied gefahren?«
    »Ja, Öfters. Er war ein vorsichtiger Fahrer.«
    Und Bärlach blickte nachdenklich auf den
    Geschwindigkeitsmesser, der fast Hundertzehn zeigte.
    Tschanz mäßigte die Geschwindigkeit ein wenig. »Ich bin einmal mit Schmied gefahren, langsam wie der Teufel, und ich erinnere mich, daß er seinem Wagen einen sonderbaren Namen gegeben hatte. Er nannte ihn, als er tanken mußte. Können Sie sich an diesen Namen erinnern? Er ist mir ent-fallen.«
    »Er nannte seinen Wagen den blauen Charon«, antwortete Bärlach.
    »Charon ist ein Name aus der griechischen Sage, nicht wahr?«
    »Charon fuhr die Toten in die Unterwelt hin-
    über, Tschanz.«
    »Schmied hatte reiche Eltern und durfte das Gymnasium besuchen. Das konnte sich unsereiner nicht leisten. Da wußte er eben, wer Charon war, und wir wissen es nicht.«
    Bärlach steckte die Hände in die Manteltaschen und blickte von neuem auf den Geschwindigkeitsmesser. »Ja, Tschanz«, sagte er, »Schmied war ge-31
    bildet, konnte Griechisch und Lateinisch und hatte eine große Zukunft vor sich als Studierter, aber trotzdem würde ich nicht mehr als Hundert fahren.«
    Kurz nach Gümmenen, bei einer Tankstelle, hielt der Wagen jäh an. Ein Mann trat zu ihnen und wollte sie bedienen.
    »Polizei«, sagte Tschanz. »Wir müssen eine Auskunft haben.«
    Sie sahen undeutlich ein neugieriges und etwas erschrockenes Gesicht, das sich in den Wagen beugte.
    »Hat bei Ihnen ein Autofahrer vor zwei Tagen angehalten, der seinen Wagen den blauen Charon nannte?«
    Der Mann schüttelte verwundert den Kopf, und Tschanz fuhr weiter. »Wir werden den nächsten fragen.«
    An der Tankstelle von Kerzers wußte man auch nichts.
    Bärlach brummte: »Was Sie treiben, hat keinen Sinn.«
    Bei Erlach hatte Tschanz Glück. So einer sei am Montagabend dagewesen, erklärte man ihm.
    »Sehen Sie«, meinte Tschanz, wie sie bei Lan-deron in die Straße Neuenburg-Biel einbogen,
    »jetzt wissen wir, daß Schmied am

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