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Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Titel: Der Richter und sein Henker - Der Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Friedrich Dürrenmatt
    Der Richter und
    sein Henker
    Der Verdacht

    Lizenzausgabe m i t Genehmigung des Benziger Verlages Zürich, für die Buchgememschaft Donauland Kremayr & Scheriau, Wien, für Bertelsmann, Reinhard Mohn OHG, Gutersloh, und für die Europäische Bildungsgemeinschaft Verlags-GmbH, Stuttgart, sowie für die Herder-Buchgemeinde, Freiburg, und die Schweizer Volks -Buchgemeinde, Luzern Diese Lizenz gilt auch für die Deutsche Buch-Gemeinschaft C A Koch's Verlag Nachf , Berlin Darmstadt Wien
    ©1952 und 1953 by Benziger Verlag Zürich Einsiedeln Köln Schutzumschlag: Georg Schmid
    Gesamtherstellung: Wiener Verlag, Wien
    Bestellnummer 327

    Der Richter und sein Henker

    1

    Alphons Clenin, der Polizist von Twann, fand am Morgen des dritten Novembers neunzehn-hundertachtundvierzig dort, wo die Straße von Lamboing (eines der Tessenbergdörfer) aus dem Walde der Twannbachseeschlucht hervortritt, einen blauen Mercedes, der am Straßenrande stand. Es herrschte Nebel, wie oft in diesem Spätherbst, und eigentlich war Clenin am Wagen schon vorbeige-gangen, als er doch wieder zurückkehrte. Es war ihm nämlich beim Vorbeischreiten gewesen, nachdem er flüchtig durch die trüben Scheiben des Wagens geblic kt hatte, als sei der Fahrer auf das Steuer niedergesunken. Er glaubte, daß der Mann betrunken sei, denn als ordentlicher Mensch kam er auf das Nächstliegende. Er wollte daher dem Fremden nicht amtlich, sondern menschlich begegnen. Er trat mit der Absicht ans Automobil, den Schlafenden zu wecken, ihn nach Twann zu fahren und im Hotel Bären bei schwarzem Kaffee und einer Mehlsuppe nüchtern werden zu lassen; denn es war zwar verboten, betrunken zu fahren, 7
    aber nicht verboten, betrunken in einem Wagen, der am Straßenrande stand, zu schlafen. Clenin öffnete die Wagentüre und legte dem Fremden die Hand väterlich auf die Schultern. Er bemerkte jedoch im gleichen Augenblick, daß der Mann tot war. Die Schläfen waren durchschossen. Auch sah Clenin jetzt, daß die rechte Wagentüre offen stand.
    Im Wagen war nicht viel Blut, und der dunkelgraue Mantel, den die Leiche trug, schien nicht einmal beschmutzt. Aus der Manteltasche glänzte der Rand einer gelben Brieftasche, Clenin, der sie hervorzog, konnte ohne Mühe fes tstellen, daß es sich beim Toten um Ulrich Schmied handelte, Polizeileutnant der Stadt Bern.
    Clenin wußte nicht recht, was er tun sollte. Als Dorfpolizist war ihm ein so blutiger Fall noch nie vorgekommen. Er lief am Straßenrande hin und her. Als die aufgehende Sonne durch den Nebel brach und den Toten beschien, war ihm das unangenehm. Er kehrte zum Wagen zurück, hob den grauen Filzhut auf, der zu Füßen der Leiche lag, und drückte ihr den Hut über den Kopf, so tief, daß er die Wunde an den Schläfen nicht mehr sehen konnte, dann war ihm wohler.
    Der Polizist ging wieder zum ändern Straßenrand, der gegen Twann lag, und wischte sich den Schweiß von der Stirne. Dann faßte er einen Ent-schluß. Er schob den Toten auf den zweiten Vor-dersitz, setzte ihn sorgfältig aufrecht, befestigte 8
    den leblosen Körper mit einem Lederriemen, den er im Wageninnern gefunden hatte, und rückte selbst ans Steuer.
    Der Motor lief nicht mehr, doch brachte Clenin den Wagen ohne Mühe die steile Straße nach Twann hinunter vor den Bären. Dort ließ er tanken, ohne daß jemand in der vornehmen und un-beweglichen Gestalt einen Toten erkannt hätte.
    Das war Clenin, der Skandale haßte, nur recht, und so schwieg er.
    Wie er jedoch den See entlang gegen Biel fuhr, verdichtete sich der Nebel wieder, und von der Sonne war nichts mehr zu sehen. Der Morgen wurde finster wie der letzte Tag, Clenin geriet mitten in eine lange Automobilkette, ein Wagen hinter dem ändern, die aus einem unerklärlichen Grunde noch langsamer fuhr, als es in diesem Nebel nötig gewesen wäre, fast ein Leichenzug, wie Clenin unwillkürlich dachte. Der Tote saß be-wegungslos neben ihm, und nur manchmal, bei einer Unebenheit der Straße etwa, nickte er mit dem Kopf wie ein alter, weiser Chinese, so daß Clenin es immer weniger zu versuchen wagte, die ändern Wagen zu überholen. Sie erreichten Biel mit großer Verspätung.
    Während man die Untersuchung der Hauptsache nach von Biel aus einleitete, wurde in Bern der traurige Fund Kommissär Bärlach übergeben, der auch Vorgesetzter des Toten gewesen war.

    9
    Bärlach hatte lange im Auslande gelebt und sich in Konstantinopel und dann in Deutschland als bekannter Kriminalist hervorgetan.

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