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Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Titel: Der Richter und sein Henker - Der Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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kann ich es ja sagen«, begann er, »ich habe zwischen Konstantinopel und Bern Tausende von Polizeimännern gesehen, gute und schlechte. Viele waren nicht besser als das arme Gesindel, mit dem wir die Gefängnisse aller Art bevölkern, nur daß sie zufällig auf der ändern Seite des Gesetzes standen. Aber auf den Schmied lasse ich nichts kommen, der war der begabteste. Der war berechtigt, uns alle einzustecken. Er war ein klarer Kopf, der wußte, was er wollte, und verschwieg, was er wußte, um nur dann zu reden, wenn es nötig war.
    An dem müssen wir uns ein Beispiel nehmen, Tschanz, der war uns über.«
    Tschanz wandte seinen Kopf langsam Bärlach zu, denn er hatte zum Fenster hinausgesehen, und sagte: »Das ist möglich.«
    Bärlach sah es ihm an, daß er nicht überzeugt war.
    »Wir wissen nicht viel über seinen Tod«, fuhr 21
    der Kommissär fort, »diese Kugel, das ist alles«, und damit legte er die Kugel auf den Tisch, die er in Twann gefunden hatte. Tschanz nahm sie und schaute sie an.
    »Die kommt aus einem Armeerevolver«, sagte er und gab die Kugel wieder zurück.
    Bärlach klappte die Mappe auf seinem Schreibtisch zu: »Vor allem wissen wir nicht, was Schmied in Twann oder Lamlingen zu suchen hatte. Dienstlich war er nicht am Bielersee, ich hätte von dieser Reise gewußt. Es fehlt uns jedes Motiv, das seine Reise dorthin auch nur ein wenig wahrscheinlich machen würde.«
    Tschanz hörte auf das, was Bärlach sagte, nur halb hin, legte ein Bein über das andere und bemerkte: »Wir wissen nur, wie Schmied ermordet wurde.«
    »Wie wollen Sie das nun wieder wissen?« fragte der Kommissär nicht ohne Überraschung nach einer Pause.
    »Schmieds Wagen hat das Steuer links, und Sie haben die Kugel am linken Straßenrand gefunden, vom Wagen aus gesehen; dann hat man in Twann den Motor die Nacht durch laufen gehört. Schmied wurde vom Mörder angehalten, wie er von Lamboing nach Twann hinunterfuhr. Wahrscheinlich kannte er den Mörder, weil er sonst nicht gestoppt hätte. Schmied öffnete die rechte Wagentüre, um den Mörder aufzunehmen, und setzte sich wieder 22
    ans Steuer. In diesem Augenblick wurde er erschossen. Schmied muß keine Ahnung von der Absicht des Mannes gehabt haben, der ihn getötet hat.«
    Bärlach überlegte sich das noch einmal und sagte dann: »Jetzt will ich mir doch eine Zigarre anzünden«, und darauf, wie er sie in Brand gesteckt hatte: »Sie haben recht, Tschanz, so ähnlich muß es zugegangen sein zwischen
    Schmied und seinem Mörder, ich will Ihnen das glauben. Aber das erklärt immer noch nicht, was Schmied auf der Straße von Twann nach
    Lamlingen zu suchen hatte.«
    Tschanz gab zu bedenken, daß Schmied unter seinem Mantel einen Gesellschaftsanzug getragen habe.
    »Das wußte ich ja gar nicht«, sagte Bärlach.
    »Ja, haben Sie denn den Toten nicht gesehen?«
    »Nein, ich liebe Tote nicht.«
    »Aber es stand doch auch im Protokoll.«
    »Ich liebe Protokolle noch weniger.«
    Tschanz schwieg.
    Bärlach jedoch konstatierte: »Das macht den Fall nur noch komplizierter. Was wollte Schmied mit einem Gesellschaftsanzug in der Twannbachschlucht?«
    Das mache den Fall vielleicht einfacher, antwortete Tschanz; es wohnten in der Gegend von Lamboing sicher nicht viele Leute, die in der Lage 23
    seien, Gesellschaften zu geben, an denen man einen Frack trage.
    Er zog einen kleinen Taschenkalender hervor und erklärte, daß dies Schmieds Kalender sei.
    »Ich kenne ihn«, nickte Bärlach, »es steht nichts drin, was wichtig ist.«
    Tschanz widersprach: »Schmied hat sich für Mittwoch, den zweiten November, ein G notiert.
    An diesem Tage ist er kurz vor Mitternacht ermordet worden, wie der Gerichtsmediziner meint. Ein weiteres G steht am Mittwoch, den sechsund-zwanzigsten, und wieder am Dienstag den acht-zehnten Oktober.«
    »G kann alles mögliche heißen«, sagte Bärlach,
    »ein Frauenname oder sonst was.«
    »Ein Frauenname kann es kaum sein«, erwiderte Tschanz, »Schmieds Freundin heißt Anna, und Schmied war solid.«
    »Von der weiß ich auch nichts«, gab der Kommissär zu; und wie er sah, daß Tschanz über seine Unkenntnis erstaunt war, sagte er: »Mich interes -
    siert eben nur, wer Schmieds Mörder ist, Tschanz.«
    Der sagte höflich: »Natürlich«, schüttelte den Kopf und lachte: »Was Sie doch für ein Mensch sind, Kommissär Bärlach.«
    Bärlach sprach ganz ernsthaft: »Ich bin ein gro-
    ßer, alter schwarzer Kater, der gern Mäuse frißt.«
    Tschanz wußte nicht recht, was er

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