Der Ring Der Jaegerin
Morgen begonnen hatte, und blätterte ein paar Augenblicke in der Zeitschrift herum. Als ich die Seite gefunden hatte, griff ich nach dem Sandwich – es bestand noch aus den beiden Brotscheiben und der Tomate. Das Stück Putenfleisch befand sich zur einen Hälfte in und zur anderen Hälfte außerhalb der Katze. Ich war so verblüfft, dass mir die Worte fehlten. Darum konnte ich – vermutlich mit weit aufgerissenen Augen – beobachten, wie das weiße Miststück mit großem Genuss das saftige Fleisch verputzte und sich anschließend zufrieden grinsend die Lippen leckte.
Die Katze grinste wirklich.
»Sag mal, tickst du noch ganz richtig, du dämliches Biest?«, fauchte ich sie an. Aber die Katze erhob sich nur, stellte ihren Schwanz stolz auf, drehte mir den Hintern zu und schlenderte ins Wohnzimmer zurück.
Irgendwie musste ich jetzt doch lachen. War es nicht meine Schuld gewesen, das Tier hereinzulassen – und dann auch noch einen Teller mit einem Leckerbissen hinzustellen und nicht darauf zu achten? Die Katze war ja wohl hungrig gewesen. Und ich hatte noch etwas Käse in Reserve.
Als ich ins Wohnzimmer zurückging, lag mein ungebetener Gast malerisch auf dem dunkelblauen Sessel und fusselte ihn mit weißen Haaren voll. Prima! Ich hasse Hausarbeit.
»Du hast nicht zufällig das Bedürfnis, wieder nach draußen zu gehen?«
»Mirrr!«
Das war der erste Laut, den sie, abgesehen von dem Maunzen vorhin, von sich gab. Er sagte mir nichts. Aber da sie auch nicht mit dem kleinsten Pfotenzucken zu verstehen gab, dass sie sich von dem weichen Polster zu entfernen gedachte, deutete ich es als Ablehnung.
Wie gesagt, mit Tieren hatte ich bisher wenig zu tun. Von Katzen wusste ich nur, dass sie launisch und hinterhältig waren und unaufgefordert hässliche Kratzer austeilten. Also traute ich mich auch nicht, sie anzufassen. Meine Cousine Sabina, die einen Wuscheltiger ihr Eigen nennt, schwärmt mir zwar immer wieder vor, wie zärtlich und verschmust dieser sei, aber darauf wollte ich es bei dem fremden Tier nicht ankommen lassen. Allerdings betrachtete ich es jetzt etwas genauer.
Die Katze sah im Grunde sehr edel aus, was mich vermuten ließ, dass sie von Rasse war. Schmaler Kopf, dichtes, sehr gepflegtes, fleckenlos weißes Fell, zartrosa Nase, leicht gebogen, rosa Pfoten, dünner Schwanz, recht große Ohren, innen auch rosig, fast durchschimmernd, und Augen, die an leuchtende blaue Edelsteine denken ließen. Wenn man es so betrachtete, war sie eine Schönheit. Auffallend in ihrem rechten Ohr war ein dünner goldener Ring, der wie gehämmert wirkte. Er war so klein, dass ich ihn anfangs übersehen hatte. Und er sah fast so aus wie die kleinen Kreolen, die ich auch zu tragen pflegte.
Ich kniete mich vor dem Sessel nieder und betrachtete die Katze genauer. Sie ließ die Prüfung ruhig über sich ergehen und gab ganz leise Laute von sich, so ein Brummeln tief aus der Kehle. Ob das ein gutes Zeichen war? Vorsichtig hob ich die Hand, um ihr über den Nacken zu streichen, immer bereit, sie blitzschnell zurückzuziehen, wenn eine der krallenbewehrten Tatzen nach mir schlagen sollte. Aber nichts dergleichen geschah, nur das Brummeln wurde intensiver, als ich über den seidigen Kopf strich. Dann schloss sie die Augen und schien in einen tiefen Schlaf zu sinken. Auch ich fühlte mich erschöpft und müde und beschloss, Katze Katze sein zu lassen, und ging zu Bett.
Ein Kitzeln weckte mich. Etwas kribbelte mich an der Nase. Es war lästig. Ich strich mir verschlafen und ohne die Augen zu öffnen, meine Haare aus dem Gesicht. Sie sind sehr lang, und wenn ich sie abends nicht zu einem Zopf flechte, stören sie mich furchtbar.
Das Kitzeln hörte nicht auf. Außerdem roch es nicht gut. Nach Mundgeruch. Igitt, das hatte ich das letzte Mal ertragen müssen, wenn mein ehemaliger Mann mich morgens anhauchte. Den Alptraum wollte ich lieber abschütteln, deshalb machte ich also doch die Augen auf. Im fahlen Licht, das durch die Vorhänge fiel, sah ich die weiße Gestalt neben mir sitzen, und mit einem Schlag kam die Erinnerung an die Katze, die ich abends hereingelassen hatte.
»Mauuuuuu«, jaulte sie mir jetzt ins Ohr. Es war fünf Uhr dreißig, und eine Stunde Schlaf hätte ich noch gehabt. Zornig schubste ich sie vom Bett. Sie kam mit einem Protestjammern auf und quakte los. Ich zog mir die Bettdecke über die Ohren und versuchte, das Gelärme zu ignorieren. Nach einer Weile verstummte es auch, und ich dämmerte noch bis zum Piepsen
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