Aqua
Freitagabend
Es gehörte zum Spiel und er hatte sich freiwillig darauf eingelassen. Das musste er sich manchmal vor solchen Terminen in Erinnerung rufen, um sich zu motivieren. Thomas Bröding fuhr seinen Wagen, der seit der Stadtgrenze von Bitburg nur vom Elektromotor angetrieben wurde, mit einer solchen Selbstverständlichkeit auf das Ausstellungsgelände, dass ihn die Wachposten an der Zufahrt anstandslos passieren ließen. Ein paar Besucher hasteten durch den Regen zum Ausgang. An einem Autotransporter wurde es so eng, dass er den Außenspiegel auf der Fahrerseite einklappen musste. Ein Stück weiter sah er den Wagen mit dem Kennzeichen BIT 2000, den Dienstwagen des Landrats. Er parkte direkt daneben, zwischen zwei kastenförmigen Heizgebläsen, von denen dicke Schläuche ins Zelt führten. Für die wenigen Meter an den auf Hochtouren brummenden Geräten vorbei brauchte er keinen Schirm.
Am Eingang des riesigen Zeltes musste er stehen bleiben, weil seine Brille beschlug. Über die Lautsprecher war der Stadtbürgermeister zu vernehmen. »… wünsche ich dem diesjährigen Markt mit seinen vielen Innovationen, dem Angebot von Handel und Gewerbe, allen Ausstellern und den vielen …«
In der feuchtwarmen Luft klebte Stallgeruch. Während Thomas Bröding ein paar Atemzüge lang beobachtete, wie die Brille in seiner Hand weiter beschlagen blieb, nahm er wahr, dass der Geruch von Rindern stammte. Und von diesen waren schon einige in den Holzverschlägen untergebracht, als er über den mit Sägespänen bedeckten Bretterboden daran vorbei zu der Gruppe vor dem Rednerpult schritt. Die Viehauktion sollte morgen früh beginnen. Heute trafen sich hier Aussteller und Offizielle zur Eröffnungsfeier.
»… vom vielfältigen Angebot der Rinder-Union, von dem Sie sich heute Abend hier einen ersten …«, schallte es aus den Lautsprechern.
Vor dem Podium, wo morgen der Auktionator das Vieh versteigern und eine Jury die besten Bullen prämieren sollte, stand, nur zum Teil besetzt, eine Reihe Stühle. An den Stehtischen dahinter hielten sich die meisten Besucher auf. Es waren nicht mehr als hundert, wie Thomas schätzte. Von einem ihm angereichten Tablett nahm er sich ein Glas Bier und ging bis zu den vordersten Tischen, an denen sich die Vertreter der Politik tummelten.
»… ich danke allen Beteiligten, die sich wieder sehr engagiert und ein großartiges Programm für diese Leistungsschau auf die Beine gestellt haben.« Damit schloss der Stadtbürgermeister seine Ansprache und erntete höflichen Applaus, unter den sich einige Huster und das Brüllen einer Kuh mischten.
Der Regen hatte wieder zugenommen und trommelte auf das Zeltdach.
Thomas trank einen großen Schluck, und kaum hatte er das Glas abgesetzt, verspürte er einen leichten Schlag am Schulterblatt.
»Seid ihr da unten im Moseltal schon am Absaufen, dass du dich hier rauf zu uns flüchten musst?« Der Landrat stand neben ihm.
»Die Mosel ist schon ziemlich hoch, steigt schnell und es gießt weiter.« Thomas deutete zum Zeltdach, bevor er die Hand des Landrates ergriff und dessen festen Händedruck erwiderte.
»Komm mit an unseren Tisch … oder willst du dich drüben zu dem besoffenen Arschloch gesellen?«
Auch der zweite freundschaftliche Klaps des Landrats auf Thomas’ Schulter dürfte vielen der hier Versammelten nicht entgangen sein. Die wenigen der Anwesenden, die noch nicht wussten, wer Thomas war, mussten sich unweigerlich fragen, mit wem der Landrat einen solch jovialen Umgang pflegte.
»Wenn man vom Teufel spricht.«
Klaus Holtzer stellte sein Bierglas so fest aufs Podium, dass es übers Mikrofon durchs ganze Zelt zu hören war.
»Guten Abend, liebe Besucher und Freunde«, sein wie immer leicht heiser wirkender Bass dröhnte überlaut durchs Zelt. »Ich freue mich …«
Im Schlepptau des Landrates schüttelte Thomas hier eine Hand, nickte da jemandem zu oder hob eine Hand zum Gruß, während Holtzer mit den Armen gestikulierend von geballter Leistungskraft, Synergieeffekten, wirtschaftlichem Schub und den sonstigen Vorteilen sprach, die der diesjährige Markt den Ausstellern, Besuchern und der Region bringen sollte. Wie immer nutzte er seinen Auftritt, um noch ein paar Sätze zum aktuellen Stand des Bioenergie Südeifel Technologiepark, abgekürzt BEST, loszuwerden.
Ein Fotograf, der genug Fotos vom Redner geschossen hatte, widmete sich nun der Runde des Landrates, zu der, neben dem Stadtbürgermeister, ein Staatssekretär, Abgeordnete, Banker
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