Der Ring der Kraft - Covenant 06
Donnerbergs. Marid mit seinen Giftzähnen. Joan, wie sie, als wäre sie ein vampiristisches Raubtier, nach Covenants Blut schrie, zerrüttet durch ein Sonnenübel der Seele. Der Mund von Lindens Mutter, Seiberfäden an den Seiten, stinkigen Schleim aus der Zersetzung ihrer Lungen, faulig wie Verwesung. Die Einschnitte an den Handgelenken ihres Vaters, die von Tod und Schadenfreude klafften. Es gab kein Ende der Möglichkeiten, mit denen Linden gemartert werden konnte, solange sie sich weigerte, alle Bewußtheit fahrenzulassen. Ihr Bezwinger schwelgte der Reihe nach in ihnen.
Aber sie hielt durch. Halsstarrig, nutzlos, nahezu ohne vernünftigen Grund, klammerte sie sich an das, was sie war, die Linden Avery, die Entschlüsse zu fällen vermochte. Und in den verborgensten Winkeln ihres Herzens plante sie Moksha -Jehannums Niederlage.
O Gott, wie lang der Weg ihr vorkam! Dennoch wußte sie, konnte sich diesem Wissen nicht einmal verschließen, daß die Entfernung für den Wütrich unbedeutend war und in seinem Eifer kurzweilig, kaum mehr als einen Steinwurf weit durch die schwarze Leere führte. Danach erhellte das fahle Licht der beiden Kreaturen eine in die linke Felswand gehauene Treppe. Sie war außerordentlich primitiv beschaffen, bestand aus vor unerdenklich langer Zeit aus dem bloßen Gestein gekerbten Stufen, ausgetreten durch starke Benutzung; aber sie war breit und ungefährlich. Der Wütrich erstieg sie mit kraftvollen Schritten, in seiner Erwartung nahezu frohgelaunt. Trotzdem hielt Linden Covenant auf Anzeichen eines Schwindelanfalls oder Zusammenbruchs unter Beobachtung.
Er litt furchtbar. Linden spürte, wie die Blutergüsse in seinen Schädelknochen schmerzten, bemerkte das schlaffe Humpeln seines Pulsschlags. Schweiß perlte ihm wie Ausfluß des Fiebers oder Versagens über die Stirn. Ein Schüttelkrampf der Erschöpfung machte alle seine Bewegungen linkisch und ungenau. Dennoch wankte er weiter, starr in seiner Absicht gefestigt, so wie damals auf der Haven Farm, als er sich in den Wald zu gehen anschickte, um seiner Ex-Frau zu helfen. Seine Schwäche und Wackligkeit selbst schienen ihn zu stützen. Er war geistig vollständig entwurzelt; und Linden beklagte sein Schicksal, während Moksha -Jehannum sie mit Geringschätzung strafte.
Die Treppe war lang und doch kurz. Sie führte einige Dutzend Meter weit aufwärts, aber ihre Bewältigung bedeutete für Linden eine Plackerei, als nähmen die Stufen nie ein Ende. Der Wütrich gewährte ihr keinen Sekundenbruchteil des Verschnaufens, keinen Moment Pause, während er ihren Körper benutzte, als wäre sie noch nie so gesund und bei Kräften gewesen. Aber schließlich erreichte sie eine Öffnung in der Felswand, die Mündung eines engen Gangs, an dessen anderem Ende Steinlicht schimmerte. Die Treppe setzte sich noch weiter nach oben fort; doch Linden betrat den Gang. Covenant folgte, hinter seinem Rücken die zwei Kreaturen.
Hitze wallte Linden ins Gesicht, bis ihr war, als schritte sie mitten durch ein Feuer; für Moksha war so etwas unerheblich. Der Wütrich war in öden Felsgängen und schwefligen Löchern daheim. Für einige Augenblicke schuldigten alle Patienten, denen sie nicht zu helfen vermocht hatte, die ärztlichen Fehler, die ihr unterlaufen waren, sie an wie Furien. Im falschen Namen des Lebens trug sie die Verantwortung für soviel Tod. Vielleicht hatte sie ihre Position ausgenutzt. Vielleicht hatte sie die Kranken erst richtig mit Schmerz und Verlust bekannt gemacht, es gebraucht, daß sie litten, um die Macht über Leben und Tod zu haben.
Als der Gang endete, gelangte sie an den Ort, den Lord Foul ausgesucht hatte, um dort seine Machenschaften voranzutreiben. Kiril Threndor. Ins Donnerherz. Hier hatte einst Kevin Landschmeißer sich eingefunden, um das Ritual der Schändung zu vollziehen. Seibrich Felswürm hatte darin den verloren gewesenen Stab des Gesetzes entdeckt. Das Donnerherz war der finstere Mittelpunkt aller Uraltheit und fatalen Gewaltigkeit des Donnerbergs.
Linden wußte diese Dinge anhand des Wissens Moksha -Jehannums. Der ganze Geist des Wütrichs schien vor Lust und Vorfreude zu zittern.
Die Höhle war groß, bestand aus einer runden, hohen Felskammer. Ringsum klafften Eingänge wie Münder in stummem Schrei, aufgerissen in ewiger Qual. Die Wände verströmten rundum harsches Steinlicht. Sie waren lückenlos zu glatten, unregelmäßigen Facetten zurechtgeschliffen, die ihren Glanz wie Splitter aus Licht in Lindens Augen
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