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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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warfen. Zahllose grelle Spiegelungen von der Decke des Hohlraums verschärften und verstärkten das aufdringliche Gleißen um ein Vielfaches. Droben hing eine dichte Traube von Stalaktiten, hell und gewichtig wie im Schmelzen begriffenes Metall. Zwischen ihnen flimmerte ein Helldunkelmuster orangeroter Glanzlichter.
    Keinerlei Licht jedoch schien die Gestalt zu berühren, die in der Mitte des von Zeit und Alter geglätteten Felsbodens auf einer flachen Erhöhung stand. Sie ragte dort auf wie eine Säule, völlig bewegungslos und undurchschaubar. Es hätte sich um den Rücken einer Statue oder eines Menschen handeln können; womöglich war die Erscheinung so groß wie ein Riese. Auch die Sinne des Wütrichs vermochten keine Einzelheiten zu erkennen. Die Gestalt, so hatte es den Anschein, besaß keine Farbe, keine klaren Umrisse, keine schätzbaren Maße. Ihre Konturen waren so verschwommen, als entzöge sie sich zu einem Großteil der Wahrnehmung. Aber sie strahlte Macht wie ein Dröhnen durch Helligkeit und Widerschein des Steinlichts aus. Die Luft stank nach Schwefel, war erfüllt von einem scharfen, ätzenden Geruch, von dem Linden Tränen in die Augen gequollen wären, hätte ihr Bezwinger ihn nicht als so angenehm empfunden. Unter dieser Stickigkeit jedoch lag ein anderer Geruch in der Luft, feiner und doch hartnäckiger, gleichzeitig noch verlockender für den Wütrich als der Schwefelgestank. Ein Duft, nach dem Moksha lechzte wie ein Süchtiger. Der Duft von Rosenöl: die Süße des Grabes. Linden war ihn einzuatmen gezwungen, als wäre sie verrückt danach.
    Die Machtfülle der Gestalt gellte in ihr Inneres wie ein Toben, das den Berg zum Einsturz bringen wollte, das verwundbare Herz des Landes in Trümmer und Chaos schmettern.
    Covenant verharrte in einigem Abstand von Linden, hielt seine Bestimmung und Bürde von ihr getrennt, damit sie nicht die Folgen seiner Gegenwart mitzutragen bräuchte. Er hatte keine besondere Sinneswahrnehmung. Und womöglich wäre er, auch wenn er Augen wie sie besessen hätte, nicht zu unterscheiden imstande gewesen, was noch von ihr übrig war – nicht zu erkennen, wie sehr sie sich danach sehnte, an seiner Seite stehen zu können. Sie sah alles, für das er blind war, wußte alles, das er nicht wußte, aber von dem manches für ihn vielleicht etwas geändert hätte. Nur eines wußte sie nicht. Wie er in seiner Zerschlagenheit und Schwäche stark genug zu sein vermochte, hier zu stehen, als wäre er unüberwindbar.
    Mit Moksha -Jehannums Wahrnehmung bemerkte sie, wie die beiden ungeschlachten Geschöpfe und der Wütrich, der sie kontrollierte, die Höhle verließen. Sie wurden nicht mehr gebraucht. Sie sah, wie Covenant sie anschaute, seine Lippen stumm ihren Namen nannten, als versuche er ihr etwas mitzuteilen, das er nicht sagen und sie nicht hören konnte. Das Licht glitzerte von allen Seiten auf sie ein wie ein riesiger, zerbrochener Spiegel, wie Stein im Bersten und Zerbröckeln, dicht vor dem endgültigen Niederbrechen. Die Stalaktiten überschütteten sie mit Glanz und Bedrohlichkeit, als wollten sie auf sie herabfallen. Durch Lindens aufgeknöpftes Hemd schien Rosenöl ihre Brüste zu streicheln, sie mit Andeutungen von Bedrängnis zu verhöhnen. Hitze schloß sich um ihre schwächlichen Gedanken wie eine Faust.
    Und da drehte die Gestalt auf der Erhöhung sich um. Sogar Moksha -Jehannums Sinne waren nutzlos. Sie ähnelten einer unklaren Linse, durch die sie nichts als verschwommene, verwaschene Umrisse erkannte, gänzlich undeutliche Gesichtszüge. Genausogut hätte sie die Gestalt über die hohen, heißen Flammen eines Feuers hinweg zu betrachten versuchen können. Aber jedenfalls ähnelte sie einem Menschen. Gewisse Anzeichen deuteten auf eine breite Brust, einen großväterlichen Bart, muskulöse Arme und das Wallen eines langen, lockeren Gewands hin. Sie wirkte groß wie ein Riese, gewaltig wie ein Berg, furchtbarer als alle Greuel des Blutvergießens und der Verderbtheit, als sie sich umdrehte; und ihr Blick erfaßte das Kiril Threndor, erfaßte Linden und Covenant, als könne sie ihre Existenz mit einem bloßen Blinzeln tilgen. Die Augen waren der einzig klare Bestandteil ihrer Erscheinung.
    Linden hatte diese Augen schon einmal gesehen. Sie waren scheußlich wie Reißzähne, faulig und grausam; Augen des Machtbewußtseins, der räuberischen Gier; Augen, die feucht waren von Gift und Unersättlichkeit. In den Gehölzen hinter der Haven Farm hatten sie aus dem Feuer

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