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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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gemahnen
    An meiner Liebe Tag.
     
    Das Lied erinnerte Linden an ihren Vater. Er kam aus ihrem Gedächtnis zum Vorschein wie Pechnases Lied, hing in dem alten Schaukelstuhl, während ihm das Leben verrann, durch die Besessenheit der Verächterei zum Selbstmord verleitet. Sein Abscheu vor sich selbst war so groß geworden, daß er sich schließlich zum Widerwillen gegen das Leben ausgewachsen hatte; war gewesen wie die Religion ihrer Mutter, seine Wahrheit nur zu beweisen imstande, indem er sich den Menschen rundherum aufdrängte. Aber er war falsch gewesen; und sie entsann sich nun mit Bedauern und Mitleid an ihren Vater, mit Regungen, von denen sie bisher geglaubt hatte, sie sich nicht leisten zu können. Er war im Irrtum gewesen, was sie betraf; sie hatte ihn von Herzen geliebt. Beide Eltern hatte sie geliebt, obwohl ihre Verbitterung auch sie selbst schwerwiegend irregeleitet hatte.
    Auf seltsame Weise flößten diese Erkenntnisse ihr Gefaßtheit ein. Sie war weder verblüfft noch betroffen, als sich aus dem Dunkel Covenant an sie wandte.
    »Danke«, sagte er mit barscher, aus innerer Bewegung heiserer Stimme. »Es gibt nicht genug Worte, um dir ausreichend zu danken. Aber ich danke dir.« Der Klang seiner Stimme ließ Linden Tränen übers Gesicht laufen. Sie brannten wie in Trauer auf ihren Wangen. Dennoch waren sie, war Covenants Präsenz ihr willkommen. »Ich weiß, es war furchtbar«, fügte er hinzu. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
    Linden nickte in den Wind, der sie unbewegt zu umwallen schien, als besäße er keine Bedeutung außer Verlust. Ich glaube ja. Vielleicht. Es spielt keine Rolle. Ihr lag nur daran, seine Stimme zu hören, solange die Gelegenheit bestand. Sie wußte, der Kontakt konnte nicht lange dauern. Um ihn zum Weiterreden zu veranlassen, äußerte sie die erstbesten Worte, die ihr einfielen. »Du warst wundervoll. Wie hast du das gemacht? Ich habe keine Vorstellung, wie dir das gelungen ist.«
    Daraufhin seufzte er; sein Seufzen war ein Ausatmen von Müdigkeit und erinnertem Schmerz, kein Anzeichen des Kummers. »Ich würde sagen, ich habe es gar nicht ›gemacht‹. Ich wollte nur. Alles andere ... Caer-Caveral hat es ermöglicht. Hile Troy.« Ein altes Sehnen trübte seinen Tonfall. »Das war die Notwendigkeit, von der er gesprochen hat. Daß er sein Leben hingeben mußte. Das war der einzige Weg, um diese eine Tür zu öffnen. Damit Hollian zurückkehren konnte. Und ich nicht so sein würde wie die anderen Toten – unfähig zum Handeln. Er hat das Gesetz gebrochen, das mich daran gehindert hätte, Foul entgegenzutreten. Andernfalls wäre ich bloß ein hilfloser Zuschauer gewesen. Und Foul hat das nicht begriffen. Womöglich war er schon zu überdreht. Oder hat sich schlichtweg geweigert, daran zu glauben. Aber jedenfalls hat er versucht, das Paradoxon zu ignorieren. Das Paradoxon des Weißgolds. Und das Paradoxon seiner selbst. Er wollte das Weißgold haben, den Ring. Aber ich bin auch das Weißgold. Das konnte er damit, daß er mich getötet hat, nicht ändern. Als er mein eigenes Feuer in mich verschoß, hat er das eine getan, das ich nicht selber fertigbringen konnte. Er hat mir das Gift ausgebrannt. Von da an war ich frei.« Er schwieg für einen Moment, als sänne er nach. »Ich habe nicht gewußt, wie es weitergehen sollte. Ich bin schrecklich besorgt gewesen, er würde mich womöglich am Leben lassen, bis er den Bogen der Zeit zerstört hatte.« Undeutlich erinnerte sich Linden an die Art und Weise, wie Covenant den Verächter gereizt hatte, den Tod geradezu herausgefordert. »Wir sind keine Gegner, ganz egal, was er daherredet. Er und ich sind eins. Aber anscheinend sieht er das nicht ein. Oder es ist ihm dermaßen zuwider, daß er es sich nicht eingesteht. Das Böse kann nicht ohne die Fähigkeit existieren, ihm Widerstand zu leisten. Und du und ich, wir sind das Land – jedenfalls in gewisser Hinsicht. Er ist nur eine Seite von uns beiden. Das ist sein Paradoxon. Er ist eine unserer Seiten. Wir sind eine Seite von ihm. Als er mich umgebracht hat, war das in Wirklichkeit ein Versuch, seine andere Hälfte zu töten. Dadurch hat er mich bloß um so stärker gemacht. Solange ich ihn akzeptiert – beziehungsweise mich selbst, meine Macht – und darauf verzichtet habe, mit ihm das gleiche zu versuchen, was er mir antun wollte, konnte er nicht an mir vorbei.« Damit verstummte er. Doch Linden hatte ihm mit wenig Interesse zugehört. Sie war auf ihre eigenen Antworten gestoßen,

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