Der Ring des Sarazenen
ihrer Ausrüstung war auf einen Bereich von sicherlich mehr als einer Meile im Durchmesser verstreut, soweit er nicht ganz verschwunden war. Sie bemerkte mindestens zwei von Mussas Männern, die reglos am Fuße der Felswand lagen, wo sie der Sturm gepackt und einfach gegen den Stein geschleudert hatte, dazu noch drei oder vier Kamele, die verletzt waren und vor Schmerz blökten. Es war unmöglich zu sagen, wie viele Opfer der Sturm wirklich gefordert hatte, aber es waren unzählige.
Jemand berührte sie an der Schulter. Robin fuhr mit einem unterdrückten Schrei herum. Es war Omar, dessen Kleider in Fetzen hingen und dessen Gesicht blutüberströmt war. »Bist du verletzt?«, stieß er hervor. »Ist dir etwas geschehen?«
»Nein«, murmelte Robin. Sie war nicht ganz sicher, ob sie das Wort wirklich herausbrachte; in ihren eigenen Ohren hörte es sich wie ein unverständliches Krächzen an. Ihre Kehle war noch so wund, dass ihr jeder Atemzug Schmerz bereitete, und als sie krampfhaft schluckte, schmeckte sie Blut.
Omar sah noch einen Moment lang besorgt auf sie herab, dann griff er wortlos unter seinen Mantel, zog einen Wasserschlauch hervor und setzte ihn Robin an die Lippen. Gierig trank sie die kostbare Flüssigkeit, verschluckte sich prompt und hustete in dem ebenso qualvollen wie vergeblichen Bemühen, die wenigen Tropfen, die sie gerade zu sich genommen hatte, nicht auf der Stelle wieder auszuspucken. Omar ließ sich neben ihr in die Hocke sinken, wartete geduldig, bis sie wieder zu Atem gekommen war, und hielt ihr den Schlauch abermals an die Lippen. Als Robin den Kopf schüttelte und ihn wegschieben wollte, ergriff Omar einfach ihre Handgelenke, hielt ihre Arme ohne die geringste Mühe fest und zwang sie mit sanfter Gewalt, den Schlauch bis auf den letzten Tropfen zu leeren.
»Danke«, würgte Robin hervor. Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, die trocken wie Sandpapier waren und entsetzlich wehtaten. Obwohl sie gerade fast eine ganze Tagesration Wasser getrunken hatte, war sie genauso durstig wie zuvor. Ihr Körper fühlte sich ausgedörrt an. Sie hatte kaum die Kraft aufzustehen und wollte nach dem Sattel greifen, um sich daran in die Höhe zu ziehen. Schon streckte Omar den Arm aus, und sie ließ sich von ihm helfen, ohne auch nur den Versuch zu machen, sich dagegen zu wehren.
»Was ist mit Eurem Gesicht?«, fragte sie.
Omar strich sich mit der Hand über die Stirn und betrachtete offenbar überrascht das Blut, das an seinen Fingerspitzen klebte. »Nichts«, sagte er. »Ein Kratzer. Kann ich dich einen Moment allein lassen?«
Robin nickte. Omar sah sie noch einen weiteren Herzschlag lang durchdringend an, als müsste er sich davon überzeugen, dass es auch wirklich so war. Dann drehte er sich mit einem Ruck herum und verschwand, um anderenorts nach dem Rechten zu sehen. Auch Robin wandte sich hastig ab. Es nutzte nichts, es zu leugnen: Sie war erleichtert, Omar unversehrt gesehen zu haben.
Was aber war mit Nemeth und Saila, und mit Harun?
Sie entdeckte Saila und ihre Tochter nur wenige Schritte hinter sich. Die beiden hatten den Schutz des Felsens erreicht und saßen, reichlich mitgenommen und sichtbar am Ende ihrer Kräfte, im Sand. Wenigstens schienen sie nicht verletzt zu sein. Als Robin zu ihnen lief, hob Nemeth den Blick und schenkte ihr ein mattes Lächeln. Sie hielt einen fast leeren Wasserschlauch in den Händen und in dem rot- braunen Staub, der ihr Gesicht wie eine Maske bedeckte, hatten Wassertropfen dunkel eingetrocknete Spuren hinterlassen. Robin machte mitten im Schritt kehrt, ging zu ihrem Kamel zurück und holte ihren eigenen, noch prall gefüllten Schlauch. Als sie ihn Saila hinhielt, schüttelte diese den Kopf.
»Trink!«, sagte Robin.
Saila sah sie ausdruckslos an und verneinte abermals. Daraufhin machte Robin eine auffordernde, fast herrische Bewegung und sagte noch einmal und schärfer: »Trink! Ich befehle es!«
Einen ganz kurzen Moment lang sah es so aus, als wollte Saila bei ihrer Weigerung bleiben. Dann aber griff sie mit zitternden Händen nach dem dünnen Beutel aus Ziegenleder, öffnete ihn und trank einen winzigen Schluck. Robin schüttelte den Kopf, als sie ihn ihr zurückgeben wollte. »Behaltet es«, sagte sie. »Ich kann so viel Wasser bekommen, wie ich will.«
Sie lächelte Nemeth noch einmal aufmunternd zu, dann ging sie zu ihrem Tier zurück und untersuchte es, so gut sie konnte. Sie verstand überhaupt nichts von Kamelen, aber das Tier wies
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