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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vorgab, sprengte in einer Geschwindigkeit dahin, die einem Rennpferd alle Ehre gemacht hätte, und die meisten anderen Kamele hielten ohne Probleme mit ihm Schritt.
    Auch die Tiere waren erschöpft und durstig, aber sie schienen die Gefahr, die aus dem Süden auf sie zukam, ebenso deutlich zu spüren wie ihre Reiter. Zwei oder drei Lastkamele und einer von Mussas Kriegern fielen nach und nach zurück, doch niemand machte auch nur den Versuch, ihm zu helfen oder gar auf sie zu warten. Einmal drehte sich Robin um, um nach ihnen Ausschau zu halten. Als sie sie entdeckte, winzige Punkte, waren sie sicherlich schon eine Meile entfernt, und dicht hinter ihnen tobte eine braun-graue, unheimliche Masse heran. Es sah weniger wie ein Sturm aus, eher als hätte sich die Wüste erhoben und wäre nun zu einer Wand geworden, die mit täuschender Langsamkeit auf sie zukam. Langsam, aber unaufhaltsam.
    Dennoch fasste sie neue Hoffnung, als sie wieder nach vorn sah und den Horizont mit Blicken abtastete. Sie konnte den Felsenkamm, von dem Omar Khalid gesprochen hatte, nun ebenfalls sehen. Entsetzlich weit noch entfernt, bestimmt vier oder fünf Meilen, wenn nicht mehr, und eingebettet in die endlosen roten Wogen der Wüste, wirkte er klein und selbstverloren: nicht wie etwas, das ihnen Schutz bieten konnte, sondern etwas, das selber Schutz brauchte. Dennoch erschien er ihr wie ein letzter Hoffnungsschimmer. Sie versuchte, ihr Kamel noch mehr anzutreiben, aber das Tier warf nur unwillig den Kopf in den Nacken und gab ein lang gezogenes Blöken von sich. Seine hässlichen Beine arbeiteten in rasendem Takt, und Robin musste sich mit aller Kraft am Sattelknauf festhalten, um nicht abgeworfen zu werden, was vermutlich ihren sicheren Tod bedeutet hätte.
    Als sie sich dem Sandsteinfelsen bis auf eine Meile genähert hatten, drehte sie sich noch einmal halb im Sattel herum und sah zurück. Sie erschrak. Der Sturm hatte sie fast erreicht. Vielmehr die massive Wand, die die Wüste und den Horizont sowie einen Teil des Himmels verschlungen hatte und langsam hinter ihnen heranrollte. Der Himmel darüber war schwarz, längst nicht mehr graubraun, und sie glaubte, dünne, verästelte Blitze darin zucken zu sehen. Sie hörte ein unheimliches Grollen und Dröhnen, nicht das Geräusch eines Sturmes, sondern einen Laut, der an berstende Steine oder ein einstürzendes Gebirge erinnerte. In den stampfenden Rhythmus der Kamelhufe, der ihre Zähne schmerzhaft aufeinander schlagen ließ, hatte sich ein dumpfes Vibrieren und Zittern gemischt, als erbebe die Erde selbst unter der Wut dieses Höllensturmes.
    Das Ende der Karawane war nicht mehr zu sehen. Die ehemals dicht geschlossene Kette war weit auseinander gefallen, und dort, wo die letzten zwei oder drei Tiere sein sollten, rollte eine brüllende braun-rote Masse, die genau in diesem Augenblick einen weiteren Reiter verschlang.
    »Schneller!«, brüllte Harun neben ihr. »Bei Allah, reite schneller, Mädchen, oder du bist verloren!«
    Der Wind, das Donnern der Kamelhufe und die erschrockenen Schreie der verängstigten Männer verschluckten seine Worte nahezu. Selbst wenn sie es versucht hätte - sie hätte gar nicht schneller reiten können. Das Kamel griff bereits so rasch aus, wie es überhaupt möglich war, und Robin brauchte ihre ganze Kraft und Geschicklichkeit, um sich im Sattel zu halten, der mittlerweile ruckartig hin und her schwankte. Irgendwie brachte sie die Kraft auf, den Kopf zu drehen und nach Nemeth und ihrer Mutter zu sehen. Ihr Kamel befand sich nur wenige Schritte schräg hinter ihr - aber es fiel schon merklich zurück. Das Gewicht zweier Reiter, und sei der Unterschied noch so gering, begann sich bemerkbar zu machen. Robin schrie deshalb Saila verzweifelt zu, was Harun gerade ihr herübergerufen hatte, doch die Worte wurden ihr von den Lippen gerissen, noch bevor sie selbst sie hören konnte.
    Verzweifelt starrte sie die Felswand an. Sie war jetzt ganz nahe, vielleicht noch hundertfünfzig, zweihundert Schritte entfernt, wenige Augenblicke nur bei dem rasenden Trab, in den die Kamele verfallen waren. Die ersten Männer hatten den Schutz des verwitterten gelb-braunen Sandsteins bereits erreicht, zwangen ihre Kamele zu Boden oder sprangen aus den Sätteln, noch bevor die Tiere ganz angehalten hatten, um sich im Schutz ihrer Körper zusammenzukauern. Ein paar der Lastkamele rannten blindlings weiter, halb wahnsinnig vor Furcht, und etliche der Reittiere mussten mit Gewalt dazu

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