Der rostende Ruhm
anders gewesen.
Dr. Werth hatte die Behandlung gewissenhaft nach Berghs Angaben fortgesetzt. Nach der Unterzeichnung des Vertrages mit Toronto war Bergh auch wieder in der Klinik erschienen. Nicht mehr als Chef, sondern als Besucher Regina Teschendorffs. Dr. Thoma, der mit Röntgenplatten zu ihm kam, konnte es einfach nicht begreifen, als Bergh lächelnd sagte: »Legen Sie das dem Kollegen Werth vor. Ich bin Privatmann …«
Und Herbert Wortischek, der immer düstere Krankenpfleger mit der Stimme, die aus dem Keller zu kommen schien, war außer sich, als die Gerüchte, die in der Klinik von Zimmer zu Zimmer huschten, als Wahrheit bestätigt wurden: Professor Bergh geht nach Kanada!
»Chef!« rief Wortischek erregt. Er stand Bergh im Chefarztzimmer gegenüber, wo Bergh seine persönlichen Sachen, die Schreibtischgarnitur, eigene Akten und Instrumente zusammenpackte. »Sie gehen so einfach weg?! Nur weil ein paar Idioten …«
Bergh schüttelte den Kopf. »Es geht um Grundsätzliches, Herbert. Das verstehst du nicht.«
»Mag sein. Ich bin ein dummes Luder, Chef – aber ich verstehe sehr gut, daß das da drüben nichts für Sie ist! Sie sind Wiener, Chef – ich bin Wiener –, was wollen wir da hinten in Toronto? Wenn wir den Steffel nicht mehr sehen, Grinzing, den Kahlenberg, den Prater, die Burg, den Heurigen – wenn wir das alles nicht mehr sehen – da gehen wir doch ein, Chef …«
»Wir?« fragte Bergh verblüfft.
»Ich komme doch mit, Chef – nach Toronto!«
»Herbert!«
»Ich lasse Sie doch nicht allein dorthin! Ich habe gestern für siebenhundert Schillinge mit der Universität Toronto gesprochen – mein halbes Gehalt ist draufgegangen. Aber ich kann mit – die drüben stellen mich als OP-Pfleger ein!«
Bergh ließ die Akten fallen, die er gerade in seine Mappe schieben wollte.
»Herbert! Was hast du mit Toronto gesprochen?! Was hast du ihnen erzählt?«
Wortischek sah zu Boden. Er rang die Hände, daß die Finger knirschten. Um seinen Mund zuckte es.
»Ich – ich habe – Chef!« Er sah Bergh aus seinen dunklen, immer mißmutigen Augen bettelnd an. »Ich habe gesagt: Der Chef und ich sind ein eingearbeitetes Team! Wenn Sie Professor Bergh engagieren, müssen Sie auch mich übernehmen. Sonst fehlt etwas im OP!«
»Das hast du gesagt?« fragte Bergh leise. Rührung überkam ihn. Dieser stumpfe, immer in Abwehr stehende Mann, der nie einen Freund hatte, der immer nur herumgestoßen wurde wie ein Möbel, das eben zur Klinik gehört, der einmal gegen seinen Chef aufstand, Sterbende in Badezimmer rollte und der dann wie ein Schläger tat, wenn jemand den Namen Bergh abfällig aussprach, dieses Individuum, wie Bergh ihn einmal im Zorn genannt hatte, stand an der Tür und rang mit den Tränen.
»Was wollen Sie denn ohne mich, Chef –«, fragte er stockend. Seine Stimme war wie die eines Erstickenden. »Sie müssen doch einen haben, der auch in Toronto aufpaßt, daß alles klappt.«
»Und du bist fest engagiert?«
»Ja.«
»Und wann fährst du?«
»Mit dem gleichen Schiff wie Sie! Nur dritter Klasse, natürlich. Aber von meinem Deck aus kann ich Ihre Kabine sehen. Ich habe mir den Schiffsplan geben lassen. Sie brauchen nur zu winken – ich bin sofort bei Ihnen.«
Bergh kam auf Wortischek zu. Plötzlich ergriff er die herabhängende Hand und drückte sie. »Man sollte dich durchprügeln«, sagte er leise. »Und doch bin ich froh, daß du mitkommst. Du Gauner …«
In der Klinik war ein großes Rätselraten. Man hatte Wortischek gesehen, wie er lustig pfeifend über den Gang ging, aus dem Chefzimmer kommend.
»Er hat gepfiffen?« sagte sogar Oberarzt Dr. Werth erstaunt. »Dreht sich denn die Erde plötzlich anders herum?«
Noch einmal gab es eine erregte Sitzung des Krankenhaus-Kuratoriums. Sie fand statt, nachdem der Vertrag Berghs mit der Universität Toronto perfekt und nicht mehr rückgängig zu machen war. Auch Dr. Czernik als Vertreter des Staates nahm an der Sitzung teil. Es war die kürzeste, aber auch schwerste, die jemals im St.-Emanuel-Krankenhaus stattgefunden hatte.
Baron von Boltenstern war noch auf seiner Elefantensafari im afrikanischen Busch. Direktor Bernsteg lag mit einem Herzanfall irgendwo in Bayern. Ein wohlwollender Arzt bescheinigte ihm Arbeitsunfähigkeit auf unbestimmte Dauer.
»Das hat man gern!« schrie Karel Barnowski. Er trat als der Mann auf, der alles gewußt hatte, der immer auf Berghs Seite gestanden hatte, was ihm niemand streitig machte. Nur hören
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