Der rostende Ruhm
mußte.
Mit einem kurzen Kopfnicken ging er zu dem Waschbecken neben dem Instrumentenschrank. Noch während des Hände- und Armeschrubbens band ihm die Schwester die Gesichtsmaske vor und setzte ihm die Leinenkappe auf den Kopf. Mit abtropfenden Händen schlüpfte er dann in den OP-Kittel und ließ sich die Hände unter einem Heißluftgebläse trocknen. Dann trat er an Regina Teschendorff heran. Dr. Thoma hatte die Intubationsnarkose bereits beendet – die Verletzte lag ruhig, entspannt und sehr blaß auf dem Tisch.
»Wir haben noch fünfzig Minuten Zeit«, sagte Dr. Werth leise. Bergh blickte auf die Uhr an der gekachelten Wand. Er nickte. Der linke Oberschenkel war desinfiziert, die Haut bis zwei Zentimeter vom Wundrand abgedeckt. Mit einem Esmarch-Schlauch war die Arterie oberhalb der Verletzungsstelle komprimiert. Bergh sah sich um. Er winkte mit einer Kopfbewegung eine der jungen Schwestern zu sich heran.
»Lassen Sie den Vorraum räumen!« sagte er grob. »Ich mag es nicht, wenn man mir auf die Finger starrt.«
»Aber es sind doch die Eltern, Herr Professor …«
»Wenn alle Eltern hier stehen dürften, könnte ich eine Kirmesbude aus dem OP machen!«
»Aber Herr Teschendorff …«
»Und wenn es der Kaiser von China wäre – 'raus mit ihnen!«
Der Ton duldete keinen Widerspruch. Mit hochrotem Kopf verließ die junge Schwester den OP. Über den Rand seines Mundschutzes beobachtete Bergh, wie sie Teschendorff den Befehl des Chefs weitergab. Brigitte drehte sich schroff herum und ging hinaus … Josef Teschendorff redete erregt auf die Schwester ein – dann ging auch er, langsam, schleppend …
Bergh arbeitete schnell. Seine Finger flogen. Stich, Naht, knüpfen – es war eine Eleganz in den Fingern, die Dr. Werth schon bei der Elektrokoagulation gefangennahm. Ehe man sah, daß die atraumatische Nadel in seinen Fingern lag, war auch schon der Knoten gezogen. Nur kurze Zeit war vergangen und das obere Ende der Arterie war mit dem Teflonstück verbunden. In der gleichen Weise vernähte Bergh nun auch den distalen Teil. Gut saß nun die Teflonprothese zwischen den beiden natürlichen Aderenden. Sie paßte sich vorzüglich ein, ohne Spannung, elastisch und durch das Eintauchen in das Blut bereits angedichtet.
Aber die Luft, dachte Dr. Werth. Sie hat doch jetzt Luft in sich. Wenn wir die Abschnürung lösen, wird ein dicker Luft-Embolus sofort den Exitus herbeiführen.
Bergh schien seine Gedanken erraten zu haben. Bevor er die letzten Nähte an der unteren Verbindungsstelle legte, winkte er Wortischek zu, der den Esmarch-Schlauch unter Kontrolle hatte, mit dem der Oberschenkel abgebunden war.
»Lösen Sie die Abschnürung«, sagte Bergh, und gleich darauf: »Schlauch los!« kommandierte er schärfer. Gleichzeitig setzte er eine weiche Klemme knapp unterhalb der unteren Verbindungsstelle zwischen Arterie und Teflonschlauch an die Arterie. Wortischek und Dr. Werth atmeten auf. Jetzt läßt er die Luft aus der Prothese heraus, durchfuhr es sie. Mit dem plötzlich einsetzenden Blutstrom der freigegebenen femoralis drückt er alles hinaus.
Der Esmarch-Schlauch wurde gelöst – das Blut schoß mit einem gewaltigen Druck durch die freigegebene Arterie und an der unteren, noch nicht voll vernähten Anastomose wieder hinaus. Dort wurde es mit dem Sauger sofort aufgesogen.
Bergh starrte auf das Teflonstück. Die obere Anastomose hielt. Der Blutstrom flutete durch die Prothese, als sei sie eine echte Arterie. Die letzte Luft wurde aus dem eingesetzten Stück hinausgedrückt.
»Klemme!«
Schwester Cäcilia reichte eine neue weiche Klemme. Bergh klemmte die Teflonprothese knapp oberhalb der unteren Verbindung mit der Arteria femoralis ab und setzte die beiden letzten, entscheidenden Einzelnähte, mit denen er das künstliche Adernstück endgültig mit der Arteria verband.
Die Transplantation einer künstlichen Arterie war beendet. Der technische Akt war gelungen – gelang es nun dem Blutkreislauf, sich an das neue Zwischenstück zu gewöhnen? Hielt die Prothese? War sie dicht?
Bergh entfernte die beiden Klemmen.
Langsam sickerte das Blut aus den Maschen der Teflonprothese. Dr. Werth tupfte es aus dem Wundgrund weg. Zwei Minuten lang, zwei qualvolle Minuten, sickerte es noch – dann hatten die Blutkörperchen alle Maschen dicht abgeschlossen. Die Prothese war abgedichtet, prall und gestreckt, mit einer dünnen Blutschicht umgeben. Bergh richtete sich auf. Er sah seine Ärzte groß an – aber es war kein
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