Der rostende Ruhm
Klinikleiter warf ihn fast aus dem Chefzimmer, als er das Ersuchen stellte, einen Arbeitsplatz für ihn im hauseigenen Laboratorium einzurichten. »Was wollen Sie?« fragte der Chefarzt. »Das Karzinom mit einem Pülverchen, einem Spritzchen oder einer Pille angehen? Junger Mann, lesen Sie weniger Jules Vernes! Lassen Sie diesen Blödsinn! Seien Sie ein guter Stationsarzt und Operationsassistent! Und wenn Sie zuviel Zeit haben, dann machen Sie Nachtwachen. Da lernen Sie mehr als hinter der Retorte!«
Später machte er sich selbständig. Eine kleine Privatpraxis für Urologie. Aus den Kliniken ließ er sich heimlich von befreundeten Ärzten karzinöse Präparate schicken, die er einfror und unter Verschluß hielt wie ein Juwelier seine wertvollsten Brillanten und Rubine. Er baute sein eigenes Labor. Der Spinner vom Simmering – so nannten ihn lachend und scherzend die Kollegen. Aber hinter ihrem Witz stand ihre geringe Wertschätzung.
Dr. Berghs Kopf fuhr hoch. »Der Kaffee, Herr Doktor!« sagte Erna strafend. »Sie sind sicherlich müde.«
Dr. Bergh nickte. Er wollte ins Eßzimmer gehen, als er draußen vor dem Haus das Quietschen von Bremsen hörte. Autotüren schlugen. Im Oberlicht der Eingangstür spiegelte sich der Lichtstrahl eines Scheinwerfers wider.
»Kommen Gäste, Herr Doktor?« Über Ernas Gesicht zog ein freudiger Schimmer. Dr. Bergh hob die Schultern.
»Ich habe niemanden eingeladen. Schauen Sie nach, wer es ist, Erna. Ich gehe zu meinem Palatschinken.«
Er hatte sich gerade gesetzt und den ersten Bissen zu sich genommen, als Erna drei Herren hereinführte. Sie hatten schwarze Mäntel an, Abendanzüge, schwarze Homburghüte in den Händen und verbeugten sich wie auf ein Kommando vor dem essenden Dr. Bergh.
»Teschendorff« – ein graumelierter, großer Mann mit einem energischen Gesicht, kantig, hart. Am kleinen Finger seiner linken Hand ein Ring mit einem großen, blitzenden Brillanten.
»Baron v. Boltenstern« – ein rüstiger, eleganter, aristokratischer Mittsechziger, mit wallenden weißen Haaren und gütigen Augen, in denen die Weisheit eines gelebten und erkannten Lebens lag.
»Barnowski« – dick, gemütlich, mittelgroß, mit blinzelnden Äuglein zwischen Fettpolstern, leicht asthmatisch durch zu gutes Essen und Trinken. Blutdruck sicherlich hundertfünfundachtzig, dachte Dr. Bergh.
Er hatte sich erhoben und kam auf die drei Herren zu. Er kam sich hilflos vor.
»Darf ich Sie bitten, abzulegen, meine Herren«, sagte er. Die Herren schälten sich aus ihren schwarzen Mänteln und legten sie Erna über den Arm.
Baron v. Boltenstern rieb sich die Hände, als sei es draußen sehr kalt gewesen. »Wir sind vom Kuratorium des St.-Emanuel-Krankenhauses beauftragt worden, mit Ihnen eine Verbindung auf zunehmen.« Josef Teschendorff legte seine langen, schmalen, etwas knochigen Hände aneinander. Über die Fingerspitzen hinweg sah er Dr. Bergh an.
»Unser Krankenhaus ist seit einiger Zeit ohne einen Chefarzt. Wir haben den Betrieb aufrechterhalten als sogenanntes Belegungskrankenhaus. Das wollen wir abändern und vor allem unser Haus der großen Chirurgie zur Verfügung stellen. Das St.-Emanuel-Krankenhaus hat einen guten Ruf …«
»Ich weiß, Herr Teschendorff.« Dr. Bergh schüttelte den Rheinwein in die Gläser. Die Deckenleuchten spiegelten sich in den Gläsern und ließen das geschliffene Kristall vielfältig und farbig aufblitzen. »Aber für die Umstellung auf große Chirurgie benötigt man mehr als einen Chefarzt.«
»Natürlich.« Baron v. Boltenstern lächelte zuvorkommend. »Das Kuratorium hat die Geldmittel einstimmig bewilligt. Der Ausbau hat bereits vor einem halben Jahr begonnen. Jetzt stehen wir vor dem Abschluß. Sie finden eine modernst eingerichtete Klinik vor mit einem eingespielten Personal, allen technischen Voraussetzungen …«
»Ich?« fragte Dr. Bergh gedehnt.
Barnowski trank einen Schluck Wein, ehe er noch dazu aufgefordert worden war. »Reden wir klar, Herr Doktor. Bin für klare Sachen. Mit Konversation kommen wir nicht weiter. Kurz und bündig: Wir sind hier, um Ihnen, dem Hypokrates-Medaillen-Träger, die Stelle des Chefarztes anzubieten. Eine Stelle mit allen Befugnissen, einem diskutablen Gehalt …«
»Ich bitte doch sehr, Herr Barnowski«, sagte Baron v. Boltenstern konsterniert, »lassen wir doch den vulgären geschäftlichen Teil zunächst zurück.«
»Geld ist nie vulgär!« Karel Barnowski sah Dr. Bergh treuherzig an. »Ich bin Möbelhändler,
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