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Der rostende Ruhm

Der rostende Ruhm

Titel: Der rostende Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihm jetzt klargeworden. Und er reagierte anders, als Brigitte es geschildert hatte. Sie lebte noch in dem Selbstbetrug, daß Teschendorff sie liebe. Ihre ganze Sicherheit wäre zusammengebrochen, wenn sie diese Worte ihres Mannes gehört hätte.
    Bergh wischte sich über die Stirn, nahm seine Brille ab, putzte sie umständlich – dann nahm er seinen Rundgang wieder auf, erleichtert, fast beschwingt, von einer Last befreit, deren Schwere er erst jetzt abmessen konnte, wo sie von ihm fiel.
    Eine Abordnung der Universität von Toronto war mit dem Flugzeug nach Wien gekommen. Sie überreichte Professor Dr. Bergh in ›Anerkennung seiner Verdienste auf dem Gebiete der neuen Chirurgie und als Pfadfinder neuer Wege in das Unbekannte der Krankheiten‹ den Ruf, an der Universität in Toronto — Kanada, den Lehrstuhl für Chirurgie zu übernehmen. Gekoppelt damit war die chirurgische Chefarztstelle der Universitätsklinik mit über fünfhundert Betten und allem, was die moderne Chirurgie braucht. Auch eine Herz-Lungen-Maschine stand zur Verfügung.
    »Sie wollen annehmen?« fragte Czernik.
    »Würden Sie es nicht tun?«
    »Toronto ist nicht Wien!«
    »Das ist ein wahres Wort!« rief Bergh bitter.
    »Wien ist Ihre Heimat!«
    »Ich habe hier wenig Heimatliches gespürt, mit Ausnahme der Prügel, die man dem ›bösen Jungen‹ gegeben hat.« Bergh schüttelte den Kopf. »Nein, lieber Czernik. Verlangen Sie von mir nichts Übermenschliches. Ich bin und bleibe ein Mensch mit allen seinen Fehlern und Schwächen. Bleibe ich das nicht, würde ich eine Operiermaschine. Gewiß, es gibt genug Kollegen, die damit ihren Ruhm verdienten – aber ich bin eben nur ein Mensch. Ich denke nur an unser letztes Gespräch …«
    »Bergh!« rief Czernik gequält.
    »Überall, wo ich hinblicke, springen mich die Erinnerungen an. Keine guten Erinnerungen, Czernik. Die dunklen Stunden waren für mich in Wien zahlreicher als die Sonnentage. Und auch jetzt geht es weiter – der Kampf gegen die Profitseele Bernsteg, gegen das Kleingeisttum des Kuratoriums, gegen die Dummheit der Öffentlichkeit – es wird immer weitergehen … Das alles habe ich in Toronto nicht. Dort ist die Welt offen …«
    »Österreich wird Sie zum Staatsrat ernennen, Herr Professor. Sie sollen mit dem höchsten Orden …«
    Bergh winkte ab. »Warum wollen Sie eine Wunde verpflastern, die doch immer wieder aufbricht, weil sie einfach das Klima nicht mehr verträgt?«
    »Ich kann Ihnen die vollste Unterstützung des Staates zusichern.«
    »Aber nur, solange ich Ihnen bequem bin …«
    »Ich bin ermächtigt, Ihnen einen Lehrstuhl an der Wiener Universität vorzuschlagen. Sie können wählen zwischen Urologie und Chirurgie …«
    Professor Dr. Berghs Gesicht zeigte ehrlich Wehmut.
    »Jetzt schüttet ihr das Füllhorn aus – und vor drei oder vier Wochen hättet ihr mich ebenso begeistert ans Kreuz geschlagen! Ich hatte nur einen Menschen auf der Welt, der wirklich an mich glaubte – ein junges Mädchen …«
    »Gabriele Orth. Ich weiß. Aber Sie vergessen Ihre Ärzte, vor allem Ihren Oberarzt Dr. Werth.«
    »Er ist ein guter Kerl. Er hat das Zeug zum Chefarzt. Geben Sie ihm die Chance. Er ist jung und kräftig genug, sich durchzusetzen, wenn er erst sieht, wie morsch in Wahrheit das ganze Krankenhauswesen ist. Nicht nur hier – auch in Deutschland – vor allem in Deutschland!«
    »Jetzt stehen wir genau wieder an dem Punkt wie in jenen Tagen, als der Skandal begann.«
    »Nein! Jetzt stehe ich nicht mehr allein. Jetzt habe ich ein Ziel! Ich stehe hier nicht mehr als Verfemter oder als Flüchtender vor der ›Megäre Masse Mensch‹, sondern ich gehe als ein Freier! Das dürfte ein Unterschied sein.« Er legte beide Hände auf den Tisch, und Dr. Czernik wußte, daß das, was jetzt gesprochen wurde, endgültig war.
    »Ich nehme den Ruf nach Toronto an.«
    »Und Fräulein Orth?« versuchte Czernik einen letzten Riegel zu setzen.
    »Sie weiß es noch nicht. Ich sage es ihr morgen.«
    »Hält Sie denn nichts, gar nichts in Wien?« fragte Czernik verzweifelt.
    »Nein!«
    Und dieses Nein war so hart, daß Czernik aufstand und wortlos den Raum verließ.
    Es war ein milder Spätherbstsonntag.
    In Grinzing war das Weinlaub dunkelrot geworden und fiel schon ab. Im Prater machten die Röstkastanienbuden auf, wo Wochen vorher noch die Eissalons gestanden hatten.
    Auf dem Tisch des Kuratoriums im großen Sitzungssaal stand ein Holz- und Gipsmodell. Es stellte den neuen Bettenbau der Klinik

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