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Der rote Prophet

Der rote Prophet

Titel: Der rote Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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getrunken, daß er nicht einmal mehr dann aufrecht gehen konnte, wenn er nüchtern war? Hooch dachte darüber nach – doch schon bald erhielt er die Antwort. Harrison griff hinter sich in den Schrank und holte einen Krug und einen Becher hervor. Lolla-Wossiky sah zu, wie die braune Flüssigkeit in den Becher spritzte. Sein Auge hatte einen solch intensiven Ausdruck, daß es den Anschein hatte, als könnte er den Branntwein schon durch bloßes Anschauen schmecken. Doch er machte nicht einen einzigen Schritt auf den Becher zu. Harrison streckte den Arm aus und stellte den Becher auf den Tisch neben dem Roten, doch noch immer stand der Mann da, lächelnd, blickte mal den Becher an, mal Harrison.
    Harrison wandte sich zu Jackson um und lächelte. »Lolla-Wossiky ist so ziemlich der zivilisierteste Rote im ganzen Wobbish-Land, Mr. Jackson. Er nimmt niemals Dinge, die ihm nicht gehören. Er spricht niemals, wenn er nicht angesprochen wird. Er gehorcht und tut alles, was ich ihm sage. Und alles, was er dafür bekommen will, ist nur ein Becher Flüssigkeit. Es muß nicht einmal guter Branntwein sein. Maiswhisky oder schlechter spanischer Rum stellen ihn genauso zufrieden, nicht wahr, Lolla-Wossiky?«
    »Das stimmt vollkommen, Mr. Exzellenz«, antwortete Lolla-Wossiky. Seine Sprache klang überraschend deutlich für einen Roten. Vor allem für einen betrunkenen Roten.
    Hooch sah, wie Jackson den einäugigen Roten angewidert musterte. Dann schwenkte der Blick des Rechtsanwalts aus Tennizy zur Tür hinüber, wo der hochgewachsene, kräftige, trotzige Rote stand. Hooch genoß den Anblick von Jacksons Gesicht. Seine Miene verwandelte sich von Ekel in eindeutigen Zorn und – Furcht. O ja, Ihr seid nicht furchtlos, Mr. Jackson. Ihr wißt genau, was Lolla-Wossikys Bruder ist. Er ist Euer Feind, der Feind eines jeden weißen Mannes, der dieses Land haben will, denn eines Tages wird dieser hochnäsige Rote seinen Tommy-hawk in Euren Kopf senken und Euch ganz langsam den Skalp abpellen, und den wird er auch keinem Franzosen verscherbeln, Mr. Jackson, den wird er behalten und seinen Kindern geben und zu ihnen sagen: »Das ist der einzige gute Weiße Mann. Das ist der einzige Weiße Mann, der sein Wort nicht bricht. Das ist es, was man mit Weißen Männern tut.« Hooch wußte es. Harrison wußte es, und Jackson wußte es auch. Dieser junge Hirsch an der Tür war der Tod.
    »Wie ich sehe, habt Ihr Ta-Kumsaw bemerkt. Lolla-Wossikys älterer Bruder und mein sehr, sehr teurer Freund. Ja, ich kannte diesen Jungen sogar schon, bevor sein Vater starb. Schaut Euch nur an, welch ein kräftiger Hirsch aus ihm geworden ist!«
    Wenn Ta-Kumsaw wahrnahm, wie man sich über ihn lustig gemacht hatte, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Er sah niemanden im Raum an. Statt dessen blickte er aus dem Fenster an der Wand hinter dem Gouverneur. Hooch konnte er allerdings nichts vormachen. Hooch wußte, was er dort sah, und er konnte sich auch ziemlich genau vorstellen, was Ta-Kumsaw empfand. Diese Roten nahmen die Familie wirklich ernst. Ta-Kumsaw war damit beschäftigt, heimlich seinen Bruder zu beobachten, und wenn Lolla-Wossiky schon zu betrunken sein sollte, um noch irgendwelche Scham zu empfinden, so bedeutete dies, daß Ta-Kumsaw sie nur um so stärker empfinden würde.
    »Ta-Kumsaw«, sagte Harrison, »Ihr seht, daß ich Euch einen Drink eingeschenkt habe. Kommt, nehmt Platz und trinkt, dann können wir uns unterhalten.«
    Als er Harrisons Worte vernahm, versteifte sich Lolla-Wossiky. War es möglich, daß der Drink doch nicht für ihn war? Ta-Kumsaw aber ruhte keinen Muskel, machte kein Anzeichen, daß er etwas gehört hatte.
    »Seht Ihr?« sagte Harrison zu Jackson. »Ta-Kumsaw ist nicht einmal zivilisiert genug, um Platz zu nehmen und freundlich mit Freunden etwas zu trinken. Aber sein jüngerer Bruder ist zivilisiert, nicht wahr? Seid Ihr das nicht, Lolly? Es tut mir leid, daß ich keinen Stuhl für Euch habe, mein Freund, aber Ihr könnte Euch hier unter meinem Tisch auf den Boden setzen, direkt zu meinen Füßen, und diesen Rum trinken.«
    »Ihr seid bemerkenswert gütig«, erwiderte Lolla-Wossiky in seiner klaren, präzisen Sprache. Zu Hoochs Überraschung stürzte der einäugige Rote sich nicht auf den Becher, statt dessen trat er sehr sorgsam vor, jeder Schritt mühsamste Präzisionsarbeit, und nahm den Becher in seine nur ganz schwach zitternden Hände. Dann kniete er vor Harrisons Tisch nieder und ging, den Becher immer noch

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