Der Rucksackmörder
deutlich zu machen, was in einem so zivilisierten Lande wie dem unseren nicht geschehen dürfte und doch geschah.
Unser Kind war seit Wochen vermisst in einem fernen Kontinent, dessen Sprache wir nicht sprechen. Wir wandten uns in unserer Trauer, Verzweiflung, ja Wut und unglaublicher Angst an die örtliche Polizei, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben. Längst war durch die deutschen Medien berichtet worden, dass unsere Tochter in Australien vermisst sei und man annehme, dass sie einer Gewalttat zum Opfer gefallen sein könnte. Schweren Herzens gab ich alle Personalien meiner Tochter für diese Anzeige zu Protokoll. Doch ich wurde aufgeklärt: »In Deutschland verschwinden jedes Jahr X
jugendliche Ausreißer oder andere Personen und tauchen dann nach einiger Zeit wieder auf. So könnte es doch auch bei ihrer Tochter Simone sein.«
Wir schrien förmlich nach jeder Hilfe, angefangen von Briefen an das Landeskriminalamt bis zum Bundeskriminalamt, mit der Bitte, uns über den Ermittlungsstand der australischen Behörden zu informieren.
Selbst an den Bundespräsidenten haben wir geschrieben und darum gebeten, uns zu helfen.
Unterstützung bekamen wir von keiner Seite. Vielmehr kam es so weit, dass uns verboten wurde, in den örtlichen Polizeistationen nachzufragen, ob die Ermittlungen in Australien etwas Neues ergeben hätten.
Niemand kann ermessen, wie ohnmächtig man sich in dieser Situation fühlt und wie erschütternd die Reaktion der deutschen Behörden ist.
Alles gipfelte in der Tatsache, dass ich nach zwei langen Jahren und zehn Monaten aus dem Radio erfahren musste, dass meine Tochter Simone tot aufgefunden worden war. Es war nicht die Polizei, die mir diese Nachricht überbrachte, sondern der Privatsender dieser Stadt im Radio, den ich gerade während meiner Tätigkeit als Busfahrer eingeschaltet hatte.
Am 28.12.1993 wurde meine Tochter zu Grabe getragen, überführt aus Australien. Am 15.1.1994 wurde mir von der Regensburger Polizei offiziell mitgeteilt, es stehe nun fest, dass es sich bei der Leiche, die man am 2.10.1992 im Belanglo Forest in Australien fand, um meine Tochter Simone handele.
Einziger Kommentar des Beamten der Kriminalpolizei auf meinen Anruf, dass meine Tochter längst in Regensburg beerdigt worden war: »Das tut mir aber Leid, aber der Sachbearbeiter war in Urlaub.« Mit solchem Eifer war die Polizei bei der Sache.
Ich wurde von dem Autor dieses Buches gefragt, welche Strafe ich mir für den Mörder meiner Tochter wünsche oder welche Strafe meiner Meinung nach für ihn angemessen wäre. Auch diese Frage möchte ich beantworten, obwohl ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die meine Forderung nicht teilen können.
Ich hätte mir einzig und allein die Todesstrafe gewünscht Vollstreckt nicht zehn Jahren nach dem Urteil, sondern sofort nach seiner Verurteilung. Er sollte nicht noch so viele Jahre voll Angst leiden müssen, ich bin kein Sadist wie er. Es sollte kurz und schmerzlos geschehen, ohne Todeskampf. Ich saß ihm in der Verhandlung gegenüber, er verhöhnte mich. Er verhöhnte einen Vater, dem er das Liebste nahm – die Tochter.
Heute, Jahre nachdem der »Fall Simone Schmidl« längst abgeschlossen und zu den Akten gelegt ist, werde ich immer noch gefragt, was ich damals empfunden habe und wie man mit so einem Schicksal fertig wird.
Man wird niemals damit fertig werden. Der Schmerz wird im Laufe der Zeit zwar leichter, aber fertig wird man damit erst, wenn man selbst die Augen für immer schließt.
Wenn ich heute über all die Jahre des Leides nachdenke, wünsche ich mir eines – dass es keinem Menschen so ergeht wie mir.
Doch will ich jenen, denen ein ähnliches Schicksal widerfahren sollte, einen Rat geben, der eigentlich der Grund meines Vorwortes ist:
Gehen Sie auf die Presse zu, nehmen Sie das Interesse der Medien wahr. Von ihnen, und das ist ja das größte Hilfsmittel der Trauer, erfahren Sie, was man wissen will: Wie weit sind die Ermittlungen? Hat man meine Tochter oder meinen Sohn schon gefunden? Durch das Interesse werden die Behörden aus ihren Sesseln gescheucht, und der Vater eines Mordopfers erfährt nicht erst aus dem Radio, was seiner Tochter zugestoßen ist.
Herbert Schmidl Vater von Simone Schmidl Regensburg.
Vier abgetrennte Finger auf der Fensterbank Das spärliche Licht der Mondnacht gibt nur ein wenig den Blick frei auf ein älteres Holzhaus abseits der lärmenden Hauptstraßen. Es liegt nur wenige Kilometer von Sydney entfernt,
Weitere Kostenlose Bücher