Der Rucksackmörder
Ihre schweren Rucksäcke hindern sie nicht daran, sich vor dem Taxistand glücklich zu umarmen. Ein freundlicher Taxifahrer schüttelt den Kopf, lädt das schwere Gepäck in den Kofferraum und fährt die beiden ins Stadtzentrum. In einem der englisch anmutenden Pubs beschließen sie, ein günstiges Hotel zu suchen, um erst einmal richtig auszuschlafen. Alles andere würden die nächsten Tage zeigen.
Verwundert sitzt ein dicklicher Autoverkäufer in seinem klimatisierten Büro und beobachtet, wie zwei junge Frauen sich für einen seiner Gebrauchtwagen interessieren. Mit riesigen Rucksäcken auf den Schultern, die Reisetaschen bereits abgestellt, betrachten sie den Innenraum des Fahrzeugs.
Lächelnd geht er auf die beiden zu und fragt nach ihren Wünschen. Man wird sich schnell handelseinig, und das quittiert der Verkäufer mit einem hämischen Grinsen.
Die Freude über das Auto sollte nicht lange anhalten, denn schon nach 2.600 Kilometern gibt es seinen Geist auf. Die Reparaturkosten in Höhe von über 500 A$ hinterlassen ein mächtiges Loch in ihrer Reisekasse. Nun wussten sie, warum dieser schmierige Typ so gegrinst hatte und dass es sehr schwer werden würde, dieses Auto vor ihrem Abflug wieder gut verkaufen zu können.
Überhaupt ist das mühsam zusammengesparte Geld schneller ausgegeben, als sie sich das vorgestellt hatten. Und so beschließen sie, eine Arbeit zu suchen. Von Trampern hatten sie in Erfahrung gebracht, dass man am Hafen schnell welche finden würde.
Simone Schmidt am Strand. Neben ihr der Schlafsack ihrer Freundin J. Möller.
Zwei ganze Tage werden sie beschäftigt, ein relativ großes Luxusboot zu reinigen. Die Bezahlung für diese harte körperliche Arbeit ist jedoch alles andere als Luxus. Jenny stellt fest der Lohn sei miserabel. Doch aufgeben, das ist nicht ihre Sache, und so suchen sie weiter.
Ihr neues Aufgabengebiet wird das Öffnen von Muscheln.
Einen ganzen Nachmittag sind sie damit beschäftigt, die Schalen von den Weichtieren zu trennen, bis sich ein mächtiger Berg von Schalen neben ihnen auftut. Die Menge der geernteten Tiere bedeckt dagegen gerade mal den Boden des dafür aufgestellten Kübels. Die zerschundenen Hände schmerzen am Abend, und wütend erfahren sie, dass der Lohn nach Kilogramm der Tiere bezahlt wird. Als Simone die Arbeitszeit mit dem Lohn vergleicht, kennt sie nur einen Kommentar: »Gangster«.
Wie der Sand durch die Finger rinnt, so verflogen ihre großen Träume. Die aufdringlichen Dingos, die Straßenhunde Australiens, die Skorpione, mit denen sie bereits Bekanntschaft gemacht hatten, und die Angst vor Schlangen taten ihr Übriges.
Die Angst vor den Nächten, die sie allein in einem kleinen Zelt verbrachten – darüber sprach man nicht, wie über so vieles.
Am 27. Oktober 1990, vier Wochen nach ihrer Abreise, schreibt Simone an ihre Eltern:
»Das Geld geht weg wie nichts. Mir geht es gut. Aber das Leben ist schon verdammt hart«
Dann die Worte: »Mir geht’s doch nicht so gut!« Sie macht einen Pfeil an den Briefrand und fügt hinzu: »Keine Sorgen machen.« Sie schließt den Brief an ihre Eltern: »Liebe Mammi, ich freue mich schon sehr darauf, wenn du nach Australien kommst und ich dir sechs Wochen lang Australien mit dem Campingbus zeigen kann. Du wirst staunen, wie schön es hier ist. Auf Wiedersehen. Eure Simone.«
Trampen durch ein dünn besiedeltes Land Den fremden Kontinent auf eigene Faust zu erkunden, diesen Wunsch hatte nicht nur Simone Schmidl. So machen sich in der folgenden Zeit auch die 20-jährige Anja Habschied und ihr 21-jähriger Freund Gabor Neugebauer auf den Weg nach Australien. Ebenso wie Caroline Clark aus Slaley in Großbritannien. Und die 22-jährige Joanne Lesley Walters aus einem kleinen Dorf in Wales, Großbritannien.
Joanne Lesley Walters hat eigentlich alles, was sich eine junge Frau wünscht, eine intakte Familie, viele junge Männer, die sie gerne sehen. Doch ihre Sehnsucht gehört dem Reisen.
Die attraktive junge Frau ist die Tochter eines Ingenieurs, der in einer Papiermühle in Südwales sein Geld verdient. Sie wächst als behütetes Mädchen einer angesehenen Familie auf.
Ihr Vater liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Ray und Gill Walters, ihre Eltern, träumen von einem Enkelkind.
Schließlich ist ihre Tochter in einem Alter, wo viele ihrer Freundinnen bereits verheiratet sind. Doch sie weist den Gedanken an eine Ehe weit von sich. »Viel zu früh«, sagte sie immer. Ihre Träume hatten nur ein
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