Der Ruf der Kiwis
praktischen oder mythologischen Wurzeln erforschen und sich mit anderen Wissenschaftlern über die bildliche Darstellung geschlechtlicher Beziehungen in dem betreffenden geografischen Bereich austauschen. Er möchte schließlich nichts falsch machen. Bis dahin ist den Mädchen längst langweilig, da mache ich mir gar keine Sorgen.«
Die anderen lachten jetzt offen, aber Lilian schien es nicht übel zu nehmen.
»Und du langweilst dich nie?«, fragte erstaunlicherweise Gwyneira. Sie war bei Weitem die Älteste in der Runde, aber ihre Augen funkelten so lebhaft wie einst, als man ihre Hochzeit auf Kiward Station gefeiert hatte.
Lilian zuckte die Achseln. »Wenn ich mich langweile, habe ich ja Galahad. Und Florian, und Jeffery ... Der neue heißt Juvert ...«
Lächelnd zählte sie die Protagonisten ihrer Bücher auf. »Und wenn ich abends weiterschreiben muss, weil mein Held irgendwo gefangen ist oder sein Mädchen aus irgendeiner schrecklichen Situation retten muss, dann macht’s Ben auch nichts aus, mal zu kochen.«
»Echte Helden schießen das Kaninchen fürs Dinner aber auch noch selbst«, neckte Gwyneira. Sie dachte an James und die glücklichen Zeiten, in denen er für sie gefischt und gejagt und das Wild dann am Feuer gebraten hatte.
Ihre Tochter Fleurette nickte. »Und anschließend lassen sie die Innereien überall herumliegen!«, bemerkte sie trocken. »Ich verstehe, was du meinst, Lily. Dein Ben ist der Größte.«
Um Mitternacht zündeten Elaines Söhne ein Feuerwerk. Die meist schon berauschten Gäste quittierten das mit Begeisterungsrufen.
Gwyneira McKenzie begab sich dagegen zu den Ställen. Sie wusste, dass die Pferde eingesperrt waren. Sie würde keinen James dabei antreffen, die Zuchtstuten in aller Eile hereinzuholen, ehe der Lärm die Tiere erschreckte. Im Scheunenbereich spielte auch niemand die Fiedel. Jack und Gloria wollten keine separate Feier für Personal und Herrschaft, wie es früher üblich gewesen war. Damals hatte im festlich erleuchteten Garten ein Streichquartett gespielt, während die Viehhüter an diesem Abend die Zofen der Damen zur Musik aus Quetschkommode, Fiedel und Tin Whistle herumwirbelten. Gwyneira sah die Feuer noch vor sich und meinte James’ strahlendes Gesicht zu sehen, als sie sich zu den Männern gesellte und ihm einen Tanz schenkte. Sie hätte ihn damals beinahe geküsst.
Aber auch jetzt stand dort, wo damals die improvisierte Tanzfläche aufgebaut gewesen war, ein Paar und küsste sich. Jack und Gloria waren dem Trubel entflohen und hielten sich eng umschlungen, während tausend künstliche Sternschnuppen den Himmel erleuchteten.
Gwyneira sprach sie nicht an. Sie glitt einfach zurück ins Dunkel und überließ die beiden sich selbst. Sie waren die Zukunft.
»Das ist dann wohl meine letzte Hochzeit auf Kiward Station ...«, sagte Gwyneira wehmütig. Sie hatte auf den Sekt verzichtet und nippte an einem Whiskey. Sie trank auf James. »Die nächste Generation werde ich nicht mehr erleben.«
Lilian, champagnerselig und schnell zu Tränen gerührt, nahm die alte Frau in den Arm. »Ach was, Grandma Gwyn! Schau, einen Ururenkel hast du schließlich schon!« Es klang, als wäre damit zu rechnen, dass Galahad am nächsten Tag heiratete. »Und dann ... Wir könnten eigentlich auch noch mal heiraten, Ben. Auf dem Standesamt in Auckland war es ziemlich trist, das hier ist zehnmal besser. Vor allem das Feuerwerk. Oder wir machen es mal anders und heiraten nach Maori-Ritus. So wie in
Die Erbin von Wakanui
– das war so romantisch!« Sie strahlte Ben an.
»Liebes, Maori-Stämme kennen keine romantische Hochzeit.« Ben wirkte leidend; vermutlich hatte er seiner Frau den Vortrag schon mehrmals gehalten. »Förmliche Hochzeitszeremonien haben allenfalls in dynastischen Verbindungen eine Funktion, wobei auch eine klerikale Verknüpfung angenommen wird ...« Er wollte weiterdozieren, merkte allerdings, dass sein Publikum nicht mehr allzu aufnahmefähig war. »Den Ritus in
Die Erbin von Wakanui
hast du von Anfang bis Ende erfunden!«
Lilian zuckte die Schultern. »Na und?«, meinte sie dann und lächelte nachsichtig. »Wen stört es? Im Grunde geht es doch immer nur um eine richtig gute Geschichte!«
NACHWORT UND DANKSAGUNG
Auch ein historischer Roman braucht eine gute Geschichte, aber der lockere Umgang meiner unbekümmerten Lily mit Historie und Mythologie sollte einem ernsthaften Autor doch fernliegen. Ich jedenfalls habe mich in diesem Roman
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