Celaenas Geschichte 03 - Throne of Glass
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I n der großen Eingangshalle der Assassinenvilla war es still, als Celaena Sardothien mit einem Brief in der Hand über den Marmorboden schritt. Niemand hatte sie an der gewaltigen Eichentür am Eingang begrüßt außer der Haushälterin, die ihr den regennassen Umhang abgenommen und nach einem Blick auf das böse Lächeln in Celaenas Gesicht lieber nichts gesagt hatte.
Die Flügeltür zu Arobynn Hamels Arbeitszimmer, das am anderen Ende der Halle lag, war geschlossen. Aber Celaena wusste, dass er sich dort drin befand, denn Wesley, sein Diener, stand draußen Wache. Als sie sich ihm näherte, waren seine dunklen Augen undurchdringlich. Auch wenn Wesley kein Assassine war, zweifelte sie nicht daran, dass er die Schwerter und Messer, die er um seinen mächtigen Leib geschnallt trug, mit tödlichem Geschick zu handhaben wusste.
Ebenso wenig zweifelte sie daran, dass Arobynn seine Augen an jedem Stadttor von Rifthold hatte. Im selben Moment, als sie die Stadt betreten hatte, musste er erfahren haben, dass sie endlich zurück war. Sie hinterließ mit ihren nassen, verdreckten Stiefeln eine Schlammspur, während sie auf das Arbeitszimmer zuging – und auf Wesley.
Es waren drei Monate seit der Nacht vergangen, in der Arobynnsie bewusstlos geschlagen hatte – zur Strafe, dass sie sein Sklavenhandelsabkommen mit dem Piratenlord, Captain Rolfe, ruiniert hatte. Es waren drei Monate vergangen, seit er sie in die Red Desert geschickt hatte, damit sie Gehorsam und Disziplin lernte und sich die Anerkennung des Stummen Meisters der Schweigenden Assassinen verdiente.
Der Brief in ihrer Hand war der Beweis, dass ihr das gelungen war. Der Beweis, dass Arobynn sie in jener Nacht nicht gebrochen hatte.
Sie konnte es kaum erwarten, sein Gesicht zu sehen, wenn sie ihm den Brief überreichte.
Und erst recht, wenn sie ihm von den drei Truhen voller Gold erzählte, die sie mitgebracht hatte und die in diesem Moment nach oben in ihr Zimmer geschafft wurden. Sie würde ihm mit wenigen Worten erklären, dass ihre Schulden bei ihm nun abbezahlt waren, dass sie die Villa verlassen und in die neue Wohnung ziehen würde, die sie sich gekauft hatte. Dass sie frei von ihm war.
Kurz bevor sie die Halle durchquert hatte, stellte sich Wesley vor die Tür zum Arbeitszimmer. Er war etwa in Arobynns Alter und die schmalen Narben an Gesicht und Händen verrieten, dass er als Diener des Königs der Assassinen kein leichtes Leben hatte. Unter seiner dunklen Kleidung verbargen sich wahrscheinlich noch mehr Narben – vielleicht welche, die noch brutaler waren.
»Er ist beschäftigt«, sagte Wesley, bereit, bei der geringsten Bewegung nach einer seiner Waffen zu greifen. Sie mochte Arobynns Protegé sein, aber Wesley hatte immer deutlich gemacht: Sollte sie zu einer Bedrohung für seinen Meister werden, würde er sie ohne zu zögern töten. Sie musste ihn nicht in Aktion sehen, um zu wissen, dass er ein ernst zu nehmender Gegner war. Vermutlich trainierte er deswegen immer allein – und machte auch aus seiner persönlichen Vergangenheit ein Geheimnis. Je weniger sie über ihn wusste, destogrößer wäre sein Vorteil, falls es je zu diesem Kampf kam. Das fand sie clever – und schmeichelhaft.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen, Wesley«, sagte sie mit einem Lächeln in seine Richtung. Er spannte sich an, hielt sie jedoch nicht auf, als sie an ihm vorbeiging und die Tür zum Arbeitszimmer aufriss.
Der König der Assassinen saß an seinem verschnörkelten Schreibtisch über einem Stapel Papiere. Ohne ein Wort der Begrüßung ging Celaena schnurstracks zum Schreibtisch und warf den Brief auf die polierte Holzoberfläche.
Sie wollte gerade etwas sagen, die Worte sprudelten ihr schon fast über die Lippen, da hob Arobynn abwehrend die Hand und lächelte schwach, ehe er sich wieder seinen Papieren widmete. Wesley schloss die Tür hinter ihr.
Celaena erstarrte. Arobynn blätterte um, überflog rasch die neue Seite und machte eine vage Handbewegung. Setz dich.
Den Blick noch immer auf das Dokument gerichtet, das er gerade las, griff Arobynn nach dem Empfehlungsbrief des Stummen Meisters und legte ihn auf einen Stapel Papier neben sich. Celaena blinzelte. Einmal. Zweimal. Er sah nicht zu ihr auf. Er las einfach weiter. Die Botschaft war eindeutig: Sie hatte zu warten, bis er so weit war. Und bis dahin würde er keine Notiz von ihr nehmen, selbst wenn sie sich die Lunge aus dem Leib schrie.
Also setzte sich Celaena.
Der Regen trommelte gegen die
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